Die Bundesregierung zieht die Konsequenzen aus dem beispiellosen Versagen der Sicherheitsbehörden bei der Mordserie der rechtsextremen Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) und reformiert die Zusammenarbeit der Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder. Die Kompetenz des in Köln angesiedelten Bundesamtes wird deutlich gestärkt, gleichzeitig wird der Umgang mit V-Leuten zum ersten Male überhaupt auf eine klare gesetzliche Grundlage gestellt.
Das Bundeskabinett beschloss in seiner Sitzung am Mittwoch einen entsprechenden Gesetzentwurf von Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU), „um extremistischen und terroristischen Bestrebungen künftig effektiver entgegentreten zu können“. „Dem Schock des Versagens folgte die Entschlossenheit zu Reformen und Veränderungen“, sagte de Maiziere. So seien in der Vergangenheit bereits rund 230 Einzelprojekte im internen Bereich umgesetzt worden, um die Arbeit des Bundesamtes zu verbessern, zudem habe man in der Innenministerkonferenz des Bundes und der Länder gemeinsame Standards beispielsweise für das Führen von V-Leuten verabredet. Nun gelte es, in enger Abstimmung mit dem Justizressort und den Ländern die Zusammenarbeit zwischen und den Datenaustausch mit den Behörden auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen.
Wichtigste Neuerung ist, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz in seiner Funktion als Zentralstelle gestärkt wird. Die Kölner Behörde soll die Zusammenarbeit der Länder koordinieren und die Erkenntnisse zentral auswerten. Mehr noch, auch im Falle von regional begrenzten, aber „gewaltorientierten Vorkommnissen“ erhält es das Recht, zwar mit Wissen, aber notfalls ohne Zustimmung der betroffenen Länder selber in die Beobachtung einsteigen und Erkenntnisse sammeln zu können.
Das Gesetz verpflichtet die Verfassungsschutzämter, dass sie alle relevanten Informationen austauschen und ihre Erkenntnisse ausführlicher als bisher in eine gemeinsame Datenbank einspeisen müssen, damit sie allen Sicherheitsbehörden zur Verfügung stehen. Diese Regelung geht wiederum der Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Andrea Voßhoff, zu weit. Sie habe „erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken“, weil diese Reform den Datenschutz bei den Nachrichtendiensten aufweiche, erklärte die CDU-Politikerin. „Bisherige Schranken für die Datenverarbeitung in zentralen Dateien fallen zu großen Teilen weg.“ Zudem sei bislang nur unzureichend geklärt, über welchen Personenkreis die Nachrichtendienste überhaupt Daten erheben und speichern dürften.
Dritte Neuregelung: Zum ersten Mal überhaupt erlässt der Gesetzgeber klare Regeln für das Anwerben und Führen von V-Leuten. Demnach sollen weder Minderjährige noch Straftäter, die eine Haftstrafe ohne Bewährung erhalten haben, als Informanten genutzt werden, zudem dürfen diese in den Gruppen, die sie beobachten, keine „steuernde Einflussnahme“ ausüben. Bei Straftaten, die „szenetypisch“ sind, wie das Zeigen des Hitlergrußes oder Vermummung, solle weiterhin Straffreiheit gelten, nicht jedoch bei Körperverletzung oder Sachbeschädigung. Ausnahmen sind im Einzelfall möglich, aber nur mit Zustimmung des Verfassungsschutzpräsidenten, um beispielsweise eine Enttarnung zu verhindern.