Jean-Claude Juncker war tatsächlich der Einzige, der sich am Tag nach den Brexit-Abstimmungen im britischen Unterhaus zu einer kleinen Freundlichkeit hinreißen ließ. Als Kommissionspräsident werde er die britische Premierministerin Theresa May empfangen und „ihr intensiv zuhören“, sagte Juncker am Mittwochnachmittag im Europäischen Parlament. In der Sache aber blieb auch er hart: „Das Austrittsabkommen wird nicht neu verhandelt.“
Es dürfe keine harte Grenze zwischen Nordirland, das zum Vereinigten Königreich gehört, und dem EU-Mitglied Irland geben. „Wir wollen kein Rückgleiten in eine dunkle Vergangenheit.“ Außerdem wisse die EU durch die Entscheidungen des Parlamentes in London, dass die Abgeordneten dort „gegen Vieles sind – gegen einen Austritt ohne Deal, gegen den Backstop. Aber wir wissen immer noch nicht, wofür sie sind.“
Die Sätze wiederholen sich inzwischen gebetsmühlenartig. Schon vor zwei Wochen, als May nach der Ablehnung des Austrittsabkommens mit der EU ihren Plan B vorstellen wollte und dabei nicht mehr als Plan A herausholte, klangen die Reaktionen in Brüssel genauso. Die Einigkeit reicht über alle Fraktionsgrenzen in der europäischen Volksvertretung hinweg und auch in den Regierungshauptstädten zeigt man sich einig: „Das Öffnung des Austrittsabkommens steht nicht auf der Tagesordnung“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.
„Theresa May wirkt in diesem Zirkus wie ein Zauberer mit Zylinder, aber ohne Kaninchen“, erklärte der Vorsitzende der europäischen Grünen, Reinhard Bütikofer. „Sie probiert es zwei-, drei-, vier Mal – es springt einfach kein Kaninchen aus dem Hut.“ Stattdessen laufen sich im Hintergrund die Vertreter verschiedener Mitliedstaaten warm. Spanien will unbedingt eine bessere Lösung für Gibraltar, Frankreich ergiebigere Fangquoten für die Irische See – sollte wider Erwarten das ausgehandelte Brexit-Abkommen doch noch geöffnet werden, würde London mit neuen Forderungen überschüttet. Das darf eigentlich keiner wollen.
Regelungen für Erasmus-Studenten beschlossen
Durch die Entscheidungen des Unterhauses vom Dienstagabend sei „die Unsicherheit eher größer denn kleiner geworden“, sagte die rumänische Europa-Staatssekretärin Melania Ciot im Namen der Mitgliedstaaten. Rumänien hat derzeit die halbjährlich wechselnde EU-Ratspräsidentschaft inne. Vor diesem Hintergrund treibt die Kommission die Vorbereitungen für einen ungeordneten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU am 29. März weiter. Beratungsteams seien in die Mitgliedstaaten entsandt worden, um Themen und Vorschläge einzuholen und zu diskutieren, erklärte Juncker gestern. Die Kommission ihrerseits beschloss am Morgen Regelungen für Erasmus-Studenten, die ihr begonnenes Auslandsstudium an einer britischen Hochschule fortsetzen können – die Förderung werde zunächst weiterlaufen. Vorausgesetzt London macht mit. Aber das weiß eben noch keiner genau. Eigentlich wusste gestern niemand irgendetwas Genaues.