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BERLIN
Verbot für Tabakwerbung gefordert
Aus für Tabakwerbung: Wenn es nach der Drogenbeauftragten Marlene Mortler geht, ist die Plakatreklame für Tabak ein Auslaufmodell.
Foto: Modjesch | Aus für Tabakwerbung: Wenn es nach der Drogenbeauftragten Marlene Mortler geht, ist die Plakatreklame für Tabak ein Auslaufmodell.
Rudi Wais
Rudi Wais
 |  aktualisiert: 11.12.2019 15:06 Uhr

Katharina Focke ging mit gutem Beispiel voran. Als die Sozialdemokratin 1972 Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit wurde, gewöhnte sie sich noch vor ihrem Amtsantritt das Rauchen ab. Das Werbeverbot für Tabakprodukte, das zwei Jahre später den Marlboro-Mann und das HB-Männchen aus Rundfunk und Fernsehen verbannte, war in weiten Teilen ihr Werk – das Werk einer ehemaligen Kettenraucherin.

Heute dürfen die Hersteller von Zigaretten, Zigarren oder Zigarillos nur auf Plakaten, in einschlägigen Geschäften und nach 18 Uhr im Kino für ihre Ware werben – und auch das möglicherweise nicht mehr lange. Ein Werbeverbot auf Plakaten sei „überfällig“, sagt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Marlene Mortler (CSU). Nachdem ein erster Versuch in der vergangenen Legislaturperiode am Widerstand des damaligen FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler und des Kanzleramtes gescheitert war, will sie möglichst noch in diesem Jahr Fakten schaffen. Deutschland sei das letzte Land Europas, auf dem noch auf Plakaten für Tabakprodukte geworben werden dürfe, sagt die Abgeordnete aus Mittelfranken in einem Interview. „Hier besteht Handlungsbedarf.“

Ob es ihr gelingt, die Tabakwerbung nahezu komplett zu verbieten, ist allerdings fraglich. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD das Thema ausgeklammert, und auch in den eigenen Reihen denkt bei weitem nicht jeder Kollege wie die streitbare Nichtraucherin Mortler. Tabak sei „immer noch ein legales Produkt“, sagt ihr Bayreuther Parteifreund Hartmut Kosckyk, in dessen Wahlkreis das größte Werk des Tabakkonzerns BAT in Europa mit rund 1000 Beschäftigten steht. Schon jetzt gebe es erhebliche Einschränkungen für die Tabakwerbung, die durch eine europäische Richtlinie nun noch verschärft würden. „Wir haben schon sehr viel getan für den Nichtraucherschutz“, sagt Koschyk im Gespräch mit dieser Zeitung. „Ich möchte nicht, dass in Deutschland irgendwann nicht mehr produziert und nur noch ausländische Ware konsumiert wird.“ In keiner anderen Branche sei die Regulierungsdichte so hoch wie in der Tabakindustrie. „Hier geht es auch um Steuern und Arbeitsplätze.“ Nach eigenen Angaben beschäftigt die Branche in der Bundesrepublik mehr als 10 000 Menschen und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von 20,1 Milliarden Euro. Darin enthalten sind auch 12,3 Milliarden Euro aus der Tabaksteuer .

Seine Parteifreundin Mortler hat vor allem die Mediziner und die Gesundheitspolitiker hinter sich. Das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg schätzt, dass in der Bundesrepublik Jahr für Jahr zwischen 100 000 und 120 000 Menschen an den Folgen des Rauchens sterben, darunter alleine 3300 an den Folgen des Passivrauchens. „Zigaretten sind die einzigen frei verfügbaren Handelsprodukte, die Hunderte von giftigen und krebserzeugenden Substanzen enthalten, so dass schon der Konsum einer einzigen Zigarette schädlich ist“, heißt es in einem Positionspapier des Forschungszentrums aus dem Jahr 2012. Langzeitstudien aus England und den Vereinigten Staaten kommen zu dem Ergebnis, dass ein Raucher im Vergleich zu einem Nichtraucher durchschnittlich gute zehn Jahre seines Lebens verliert.

Enorme Folgekosten

Nach verschiedenen Umfragen raucht in Deutschland ein knappes Drittel aller Erwachsenen mehr oder weniger regelmäßig – wobei in allen Altersgruppen der Anteil der Männer deutlich höher ist als der der Frauen. Ein Viertel der Raucher kommt auf 20 und mehr Zigaretten am Tag. Zwar geht die Zahl der Jugendlichen Raucher inzwischen stark zurück, die Folgekosten des Nikotinkonsums aber sind nach wie vor enorm: Die Ausgaben für die Behandlung von Raucherkrankheiten und die Einbußen von Unternehmen durch Arbeitsausfälle oder Frühverrentungen von starken Rauchern addieren sich nach Angaben der Bundesregierung auf 21 Milliarden Euro im Jahr.

 
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