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Van der Bellen besorgt über FPÖ
Alexander Van der Bellen       -  Der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen
Foto: CHRISTIAN BRUNA, dpa | Der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen
Mariele Schulze-Berndt
 |  aktualisiert: 24.11.2017 03:16 Uhr

Mit Kerzen, Handylampen und vereinzelten Fackeln trafen sich am Mittwochabend mehrere Tausend Menschen zu einer Lichterkette um das Regierungsviertel in der Wiener Innenstadt. Sie protestierten damit gegen eine Beteiligung der Freiheitlichen Partei (FPÖ) an einer künftigen österreichischen Regierung. Es gehe dabei ganz konkret um Personen, die Verbindungen zu rechtsextremen Gruppen pflegen, sagte Veranstalter Alexander Pollak von „SOS Mitmensch“. „Große Teile der FPÖ-Parteiführung“ gehörten dazu. Bundespräsident Alexander Van der Bellen äußert sich zunehmend besorgt über das Personal, das für die FPÖ die Koalitionsverhandlungen führt und als ministrabel gilt. Er sagte gegenüber Botschaftern der 27 EU-Mitgliedstaaten, er werde sich zwar nicht grundsätzlich gegen eine türkisblaue Koalition stellen. Er halte jedoch das Innen- und das Außenministerium für hochsensibel und werde auch mit Argusaugen darauf achten, wer Finanz- und Justizminister werde.

Rote Karte gezeigt

Im Bundespräsidialamt werden seit langem Informationen über mögliche Regierungsmitglieder aus der FPÖ zusammengetragen. Zwei Mitgliedern der FPÖ-Führung, die in den türkisblauen Koalitionsverhandlungen für die künftige Außen- und Europapolitik zuständig sind, zeigte Van der Bellen im Gespräch mit den Botschaftern offen die Rote Karte.

Der hoch bezahlte Wiener Vizebürgermeister ohne Zuständigkeitsbereich, Johannes Gudenus, stammt aus einer FPÖ-Familie. Sein Vater John war wegen Leugnung des Holocausts verurteilt worden. Johannes Gudenus unterhält enge Beziehungen zu Russlands Präsident Wladimir Putin, lehnt die Sanktionen gegen Russland ab und hatte als Wahlbeobachter bei einem Referendum über die Annexion der Krim durch Russland erklärt, es sei alles korrekt abgelaufen.

In Moskau rief er 2014 zum „Kampf gegen die internationale Homosexuellenlobby“ auf.

Bei einer Wahlveranstaltung 2013 hatte Gudenus gedroht, wenn FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Bundeskanzler werde und die FPÖ den Innenminister stelle, heiße es „Knüppel aus dem Sack für alle Asylbetrüger, Verbrecher, illegalen Ausländer, kriminellen Islamisten und linken Schreier“.

Ebenfalls nicht vereidigen will Van der Bellen den FPÖ-Generalsekretär und Europaabgeordneten Harald Vilimsky. Er ist stellvertretender Fraktionschef des Bündnisses „Europa der Nationen und der Freiheit“ und bildet die FPÖ-Schnittstelle zu den in der Anti-EU-Fraktion versammelten rechtspopulistischen und rechtsextremen Bewegungen. Neben der AFD gehören der Fraktion Marine Le Pens Front National, der Vlaams Belang aus Belgien, die italienische Lega Nord und die niederländische Wilders-Partei dazu. Vilimsky habe früher auch den Austritt Österreichs aus der EU gefordert, wird berichtet. Weder die FPÖ noch das Büro Van der Bellen nahmen offiziell zu den Berichten der Botschafter Stellung. Van der Bellen hielt sich am Donnerstag zum Antrittsbesuch beim Papst in Rom auf. Am Freitag wird er sich über den Stand der Verhandlungen informieren lassen.

Möglichst wenig Provokation

Die FPÖ versucht, Van der Bellen derzeit möglichst wenig zu provozieren. Dazu passt, dass ein FPÖ-Politiker aus Niederösterreich, von dem alte Fotos mit Hitlergruß existieren, von seinem Mandat für die Länderkammer zurücktrat. Wichtiger als Vilimsky und Gudenus ist der FPÖ offenbar, dass Van der Bellen bisher weder Norbert Hofer noch Heinz Christian Strache in den Blick nimmt. Die Sorge, Van der Bellen könne ähnlich scharf reagieren wie sein Vorgänger Thomas Klestil gegenüber der Schüssel-Regierung, besteht jedoch weiter.

Damals hatte die FPÖ unter Jörg Haider der ÖVP große Zugeständnisse gemacht und sich anschließend gespalten. Deshalb versuchen die Freiheitlichen jetzt, in den Koalitionsverhandlungen möglichst viel herauszuholen. Das Ringen um Details verlängert den Prozess, was dem künftigen Regierungschef Sebastian Kurz von der ÖVP nicht recht ist. Schließlich will er vor Weihnachten fertig werden. Denn je länger die Verhandlungen sich hinziehen, desto stärker muss er auch die ÖVP-Landeschefs konsultieren, die ihre eigenen, teilweise abweichenden Interessen im Auge haben.

 
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