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WASHINGTON
US-Politiker gegen Datenspionage

Von unserem Korrespondenten

Jens Schmitz

 |  aktualisiert: 18.07.2013 19:12 Uhr

In den USA wächst Widerstand gegen die Überwachungsprogramme im Anti-Terror-Kampf. Bei einer Anhörung im Repräsentantenhaus kam es zu einer hitzigen Diskussion, bei der Politiker beider Parteien Sicherheitsexperten damit drohten, die gesetzliche Grundlage zu kassieren. Und nicht mehr nur Internetfirmen fordern mehr Transparenz.

„Was Telefonanrufe angeht“, hat Präsident Barack Obama Anfang Juni gesagt, „so ist jedes Kongressmitglied über dieses Programm informiert worden.“ Der Rechtsausschuss des Repräsentantenhauses ist zweifellos ein Schlüsselgremium, aber seine Mitglieder suggerierten anderes: „Ich mag Snowden kein bisschen“, schimpfte der republikanische Abgeordnete Ted Poe, „aber wir hätten nie herausgefunden, was passiert, wenn er es uns nicht gesagt hätte.“ Der Computertechniker Edward Snowden hat seit dem Frühjahr mehreren Medien Informationen über die geheimen Programme zugespielt.

Es ist nichts mehr übrig vom konzilianten Ton, mit dem Kongressmitglieder Obamas Sicherheitsexperten in den vergangenen Wochen begegnet sind. „Ich habe versprochen, dass ich Sie nicht anschreien werde“, erklärt der Republikaner Randy Forbes dem Vize-Chef des Geheimdienstes NSA lediglich. „Ich werde versuchen, es nicht zu tun.“

Vor allem die Massenspeicherung sogenannter Telefon-Metadaten erzürnt die Politiker. Die NSA ist ein Auslandsgeheimdienst, sie darf eigentlich gar keine Daten amerikanischer Staatsbürger sammeln. Im Lauf der Anhörung räumte NSA-Vize John Inglis aber ein, dass die Agentur inzwischen über das Recht verfügt, auch sämtliche Zweit- und Drittkontakte eines Verdächtigen ins Visier zu nehmen.

Es ist genau jene millionenfache Überprüfung, die der Nationale Geheimdienstdirektor James Clapper vor wenigen Wochen noch geleugnet hat. „Das ist unhaltbar“, schimpft der höchstrangige Demokrat im Gremium, Jon Conyers. „Es ist empörend und muss sofort beendet werden.“ Seine Parteifreundin Zoe Lofgren schließt sich an: „Dieses Programm ist ganz offensichtlich juristisch entgleist und muss an die Kandare genommen werden.“

Grundlage der Telefonüberwachung ist der USA Patriot Act von 2001, insbesondere der Abschnitt 215. Aber auch dessen Initiator zeigt sich empört, der Republikaner Frank Sensenbrenner. „Sie müssen die Art Ihres Umgangs mit Abschnitt 215 verändern“, droht er Vize-Justizminister James Cole, „sonst werden Sie ihn nicht mehr haben.“ Als Cole erklären will, warum die bisherige Praxis notwendig ist, fällt ihm Sensenbrenner ins Wort: „Wenn Sie nicht wahrhaben wollen, dass Sie ein Problem haben, wird es nicht erneuert werden!“ Das Gesetz läuft 2015 aus; es könnte auch vorher schon geändert werden.

Cole verweist auf das geheime FISA-Gremium aus elf Bundesrichtern, das über die Befugnisse der Überwachungsbehörden entscheidet. Aber auch damit prallt er bei den Politikern ab. „Es ist in keiner Weise beruhigend“, ätzt der Demokrat Jerrold Nadler, „dass Sie bei der fehlerhaften oder missbräuchlichen Anwendung dieses Gesetzes möglicherweise Hilfe von einem geheimen Gericht haben.“

In Deutschland gibt es unterdessen neue Verwirrung in der Spähaffäre: Das in Afghanistan eingesetzte „PRISM“-Programm hat möglicherweise doch direkte Verbindungen zum gleichnamigen Überwachungsinstrument der NSA. Nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung greifen beide Programme auf dieselben Datenbanken des US-Geheimdienstes zu. Bundesregierung und Bundesnachrichtendienst (BND) hatten am Mittwoch jede Verbindung zwischen den Programmen zurückgewiesen und betont, sie trügen nur zufällig den gleichen Namen.

Für Aufsehen sorgt auch der angebliche Bau eines neuen NSA-Abhörzentrums in Wiesbaden. Die US-Streitkräfte bauen in ihrem neuen Standort Wiesbaden-Erbenheim ein 124 Millionen Euro teures Zentrum für militärische Aufklärung. Das Consolidated Intelligence Center soll bis Ende 2015 fertig sein, bestätigte ein Sprecher des Hauptquartieres des US-Heeres in Europa (USAREUR) in Wiesbaden.

Im Intelligence Center sollen geheime Informationen für den Einsatz der US-Streitkräfte in Europa gesammelt werden. USAREUR ist für 51 Länder zuständig, von Russland bis nach Israel. Nach einem Bericht der „Mitteldeutschen Zeitung“ soll es sich beim neuen Komplex in Wiesbaden um ein Abhörzentrum des US-Geheimdienstes NSA handeln.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) dementierte am Donnerstag den Zeitungsbericht. Der Bericht der „Mitteldeutschen Zeitung“, BND-Präsident Gerhard Schindler habe den Innenausschuss des Bundestags am Mittwoch entsprechend informiert, sei „unzutreffend“, teilte der BND am Donnerstag mit. Nach Aussagen der US Streitkräfte in Deutschland handele es sich um ein Projekt der US-Army, zu dem der BND weiter keine Stellung nehme.

Mit Informationen von dpa

 
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