Der oberste Militärberater von US-Präsident Barack Obama schließt den Einsatz amerikanischer Bodentruppen gegen die Terrormiliz IS im Irak nicht aus. Wenn die Strategie versage, den irakischen Truppen etwa mit Luftangriffen oder Geheimdienstinfos zu helfen, dann würde er dem Präsidenten „den Einsatz von US-Kampftruppen am Boden“ empfehlen, sagte Generalstabchef Martin Dempsey bei einer Anhörung im Streitkräfteausschuss des Senats in Washington. Obama sprach sich bereits oft kategorisch gegen den erneuten Einsatz von US-Bodentruppen im Irak aus.
Sorge vor einer „Mission creep“
Als US-Präsident Barack Obama im August erstmals Luftangriffe gegen die Terrormiliz IS im Irak ankündigte, wollte er eine Sache ganz klarmachen: Die Operation sei im Umfang beschränkt und zeitlich begrenzt. „Mission creep“ werde es nicht geben. Diese Phrase bezeichnet den Albtraum, schleichend immer tiefer in einen Krieg abzugleiten, den man gar nicht führen wollte – wie vor 50 Jahren in Vietnam. Doch seit dem ersten Luftangriff im Irak vor gut einem Monat scheint den USA genau das zu passieren. Mission Creep „heißt einfach nur, die Ziele auszuweiten, was zu einer unerwartet großen Militäroperation führt“, analysiert das amerikanische Nachrichtenmagazin „Time“.
Die erstmaligen Raketenabschüsse durch Kampfjets nahe der Hauptstadt Bagdad begründete das zuständige US-Zentralkommando jetzt mit dem „ausgedehnten Einsatz, der über den Schutz unserer Bürger und humanitäre Hilfe hinausgeht“. Der Präsident habe das so befohlen. Vermutlich hat Obama auch keine andere Wahl. In seiner Rede an die Nation vergangene Woche gab er die Maßgabe aus, den IS „zu zersetzen und zu zerstören“.
Experten wissen, das ist mit Luftangriffen nicht zu erreichen. Also lautet die Strategie nun, den Bodentruppen der irakischen Armee dabei zu helfen, die Extremisten im Nahkampf zu attackieren. Es gehe nun darum, „IS-Ziele zu treffen, während die irakischen Truppen in die Offensive gehen“, so das Zentralkommando. Das macht sehr viele US-Luftangriffe nötig und dauert sehr lange.
Denn die Regierung in Bagdad kämpft bisher einen erfolglosen Kampf gegen die IS-Extremisten. Praktisch täglich füttert ein Armeesprecher die Medien mit angeblichen Erfolgsmeldungen im Kampf gegen die Terrormiliz. Viele erwiesen sich als falsch. Bislang konnte die Armee kaum Gebiete zurückerobern. So gelang es ihr bisher trotz mehrerer Versuche nicht, den Dschihadisten die Stadt Tikrit, Geburtsort des früheren Langzeitherrschers Saddam Hussein, zu entreißen. Die mangelnde Kampfkraft ist auch Folge einer Entscheidung, die die USA nach dem Sturz Saddams 2003 trafen: Damals lösten sie die komplette Armee des Landes auf. Zwar baute Iraks Regierung in den Jahren danach eine neue Truppe auf, doch ihr fehlt es an Expertise, weil erfahrene, aber mit dem Saddam-Regime verbundene Offiziere außen vor blieben.
Schwach ist insbesondere die irakische Luftwaffe, der es an einer guten Aufklärung fehlt. So richteten die fast täglichen Angriffe irakischer Jets bisher zwar große Schäden an und töteten viele Zivilisten, die IS-Extremisten konnten sie aber nicht schwächen. Auch um die Moral der Truppe ist es schlecht bestellt.
Soldaten flüchten vor IS-Miliz
Als die IS-Extremisten Anfang Juni im Norden des Landes ihre Offensive begannen, flüchteten die Soldaten. Fahrzeuge, Waffen und Munition ließen sie zurück, sodass die Dschihadisten reiche Beute machen konnten. Das unwürdige Schauspiel ließ die Amerikaner erschauern. Milliarden, die sie in die Ausbildung und Ausrüstung der Soldaten investiert hatten, lösten sich vor ihren Augen in Luft aus. Die Falken im US-Kongress, allen voran der republikanische Senator John McCain, werfen Obama vor, dass er Ende 2011 alle Kampftruppen aus dem Irak abziehen ließ. Dies habe den Vormarsch des IS erst ermöglicht.
Doch es war laut Obama der damalige Ministerpräsident Nuri al-Maliki, der einer Vereinbarung über den Verbleib von US-Ausbildern entgegenstand, weil er den Amerikanern keine Immunität zugestehen wollte. Angesichts der Lage baut der Präsident jetzt seine Truppenpräsenz im Irak wieder auf. Rund 1500 „Berater“ sind schon da, um die irakischen Bodentruppen zu unterstützen.