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Unterm Strich: Architektonisches Strickwerk
Von Lara Meissner
 |  aktualisiert: 28.12.2012 11:29 Uhr
Es sind Großprojekte, die ich jedes Jahr um diese Zeit starte. Etwas stricken, was Großes, was zum Anziehen. Meistens plane ich Strickmäntel mit kompliziertem Zopfmuster. Ich geh dann Wolle kaufen – und wer das schon mal gemacht hat, weiß: Das ist teuer. Ich decke mich mit dem feinsten Garn, den besten Anleitungen und den robustesten Nadeln ein, gebe an die 100 Euro aus. Es sind teure Großprojekte, die ich nie fertig bringe.

Ähnlich wie mir geht es wohl den Machern der Hamburger Elb-Philharmonie oder des Berliner Flughafens Schönefeld. Die wollten etwas bauen, was Großes, was zum Angeben. Die sind dann einkaufen gegangen, den feinsten Beton, die besten Architekten und den robustesten Stahl. Das ist teuer und wird, wie Sie alle wissen, mit Steuergeldern bezahlt. Noch mal 200 Millionen Euro soll Hamburgs unfertiges Wahrzeichen nun zusätzlich kosten, insgesamt sind es damit 575  Millionen statt der ursprünglich geplanten 77 – und die reichen auch nur, wenn jetzt niemand mehr eine Masche fallen lässt.

Von 2,8 auf 4,3 Milliarden Euro sind die Kosten für Berlins Flughafen gestiegen – die Stimmung von Bürgern und Planern ist dagegen in den Keller gefallen. Ich kann's verstehen. Es ist wirklich ärgerlich, wenn man sein Strickwerk fast fertig hat und merkt: Der Ärmel ist zu weit, man hat vorne und hinten verwechselt, und noch dazu jedem erzählt, dass man den schicken Mantel ganz sicher noch rechtzeitig zu Silvester fertig bekommt. Aber einen Unterschied gibt es doch: Ich kann das Ganze wenigstens auftrennen und fix einen Schal draus machen.
 
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