zurück
WÜRZBURG/BRÜSSEL
Unterfranken in Brüssel
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 02.08.2018 14:29 Uhr

Europäische Union: Die EU ist weit weg, heißt es immer. Wie aber Menschen aus unserer Region die Staatengemeinschaft mitgestalten, zeigen diese fünf Beispiele.


Intelligente Verkehrssysteme

 

Hermann Meyer


  Hermann Meyer aus Würzburg arbeitet seit 2003 in Brüssel. Seitdem konnte er schon einiges an internationaler Erfahrung sammeln: Zunächst war er beim Europäischen Automobilverband (ACEA) beschäftigt.
Nachdem er zwischendurch einen Posten als Büroleiter für die Volkswagen-Gruppe in Brüssel innehatte, ist er inzwischen Geschäftsführer der Ertico-ITS Europa. „Dies ist eine Initiative, die unter Mitwirkung der EU-Kommission 1991 ins Leben gerufen wurde, um intelligente Verkehrssysteme zu etablieren und Mobilität nachhaltiger zu gestalten“, erklärt er.
Meyer ist dafür zuständig, die Organisation strategisch stetig neu auszurichten, um die Entwicklung der neuen intelligenten Verkehrssysteme voranzubringen. Daneben ist er Leiter eines 40-köpfigen internationalen Teams; Ertico-ITS hat insgesamt 108 Mitglieder. „Aus Deutschland sind zum Beispiel das Bundesverkehrsministerium und Firmen wie BMW und Siemens dabei“, so der Würzburger.

Was finden Sie gut an der EU?

„Die Idee der Europäischen Union ist immer wieder neu faszinierend und von zunehmender Bedeutung. 28 Länder kooperieren, teilen miteinander und halten Frieden. Es gilt Unterschiede zu bewahren, wo Vielfalt bereichert und Gemeinsamkeiten zu entwickeln, wo Kooperation Zielerreichung stärkt.“

Was finden Sie schlecht an der EU?

„Ich vermisse eine europäische Vision, die von den Bürgern mitgetragen wird. Die erste Vision war Frieden und Wohlstand. Vielleicht sollten wir dazu zurückkommen.“

„Man sollte zur Europawahl gehen, weil . . .

. . . Europa die wichtigste und erfolgreichste politische Initiative weltweit ist. Elementar ist dabei der friedliche Zusammenschluss von souveränen Staaten. Und im Zentrum steht die Möglichkeit der demokratischen Wahl.“


 

Rechte Hand des Generalsekretärs

 

Christian Mangold


Seit 1997 ist Christian Mangold aus Münnerstadt (Lkr. Bad Kissingen) in verschiedenen Funktionen für die EU tätig. „Ich hatte das Glück, während meines Studienaufenthaltes in Straßburg einen Teilzeitjob als Assistent einer Europaabgeordneten zu bekommen“, erzählt er. Nach verschiedenen Arbeitsorten innerhalb der Parlamentsverwaltung stieg er 2009 in das Kabinett des Generalsekretärs des Parlaments ein, wo er 2012 zum Kabinettschef ernannt wurde. „In meiner derzeitigen Position bin ich für den Mitarbeiterstab des Generalsekretärs zuständig.“ Daneben ist er der Ansprechpartner für die acht zentralen Dienststellen. Damit trägt er zum Management der rund 6000 Mitarbeiter aus den 28 Mitgliedstaaten bei. Er ist gewissermaßen die letzte Qualitätskontrolle vor dem Generalsekretär. „Eine meiner Hauptaufgaben ist die Überprüfung fast aller Entscheidungsvorlagen, bevor diese zum Generalsekretär zur finalen Entscheidung gehen.“

Was finden Sie gut an der EU?

„Das Europäische Parlament ist die Bürgerkammer neben dem Rat. Hier wird in voller Transparenz debattiert und entschieden. Alle Sitzungen werden live im Internet übertragen und alle Texte für Entscheidungen können auf der Internetseite des Parlaments eingesehen werden.“

Was finden Sie schlecht an der EU?

„Das Handeln des Europäischen Rates. In letzter Zeit hat der Rat viele Dinge intertransparent entschieden und angekündigt, die er oder die Institutionen später nicht umsetzen konnten. Das führt bei den Bürgern zu Frust über Europa.“

„Man sollte zur Europawahl gehen, weil . . .

. . . das Europaparlament das wichtigste Parlament in Europa und für uns Deutsche mindestens genauso wichtig ist wie der Bundestag. Wenn man beeinflussen will, wohin es gehen soll, dann sollte man sich auch Gedanken machen und wählen.“



 

Für Forschung und Innovation

 

Rudolf Strohmeier


Bereits seit 1987 ist der 61-jährige Rudolf Strohmeier aus Würzburg bei der EU beschäftigt. Er war Gründer und Leiter der Bayerischen Informationsbüros in Brüssel. Der bayerische Kommissar Peter Schmidhuber berief ihn dann in sein Kabinett. Seit 2010 ist er stellvertretender Generaldirektor für Forschung und Innovation. Damit ist er für die sogenannte Kollaborative Forschung, bei der mehrere Teams zusammenarbeiten, zuständig. Mit gut sieben Milliarden Euro pro Jahr stellt sie den größten Bereich der auf EU-Ebene geförderten Forschung dar. „Außerdem vertrete ich die Europäische Kommission in den Aufsichtsräten verschiedener Innovationspartnerschaften mit den Industriezweigen“, sagt Strohmeier. Daneben ist er Vertreter der EU im Verwaltungsrat des europäischen Erdbeobachtungssystems in Genf. „Von daher kann ich mich über einen langen aber sehr abwechslungsreichen Arbeitsalltag nicht beschweren.“

Was finden Sie gut an der EU?

„Nur als Kontinent können wir unsere Interessen und Werte zu Gehör bringen und durchsetzen. Denn sowohl der Bevölkerungs-, als auch der Wirtschaftsanteil Europas werden global weiter schrumpfen. Daher müsste die EU erfunden werden wenn wir sie nicht schon hätten.“

Was finden Sie schlecht an der EU?

„Dass die EU fast immer mit Brüssel gleichgesetzt wird, obwohl der Großteil der Regeln, die von der europäischen Ebene kommen, vom Parlament und dem Ministerrat verabschiedet werden. Im Ministerrat sitzen aber die Regierungen der Mitgliedstaaten, die sich hinter Brüssel verstecken wenn sie sich nicht durchsetzen konnten.“

„Man sollte zur Europawahl gehen, weil . . .

. . . das Parlament unverzichtbar ist, um die Transparenz auf EU-Ebene sicherzustellen. Außerdem ist es jetzt eindeutig der zweite Arm des Gesetzgebers auf EU-Ebene. Ohne oder gegen das Parlament geht nichts mehr.


 

Vorbereitung für Auslandseinsätze

 

Horst Koukol


Der 59-jährige Würzburger und studierte Jurist Horst Koukol arbeitet seit 2003 in Brüssel. In der Europäischen Kommission war er zunächst sieben Jahre lang in der Generaldirektion für Außenbeziehungen beschäftigt. Dort übernahm er Aufgaben in der Personalverwaltung. Seit 2011 arbeitet er im neuen Europäischen Auswärtigen Dienst. Dort war er zunächst für Karriere und berufliche Fortbildung zuständig, bis er im vergangenen Jahr im Bereich des Europäischen Krisenmanagements seine Arbeit aufnahm. „Dort bin ich  verantwortlich für Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter in Auslandseinsätzen in Drittstaaten“, erklärt er. Deswegen sei für ihn die Vernetzung mit anderen Akteuren wie internationalen Organisationen, der NATO, den europäischen Mitgliedsstaaten und der Zivilgesellschaft von großer Bedeutung. „Nicht zu vergessen die Drittstaaten selbst.“ Koukol übernimmt die Koordinierung und Planung von Einsätzen. Das bedeutet Meetings mit allen Beteiligten in Brüssel, aber auch außerhalb Europas. „Ein höchst interessanter Job mit vielen Facetten und Schnittstellen zur Europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik“, beschreibt der Würzburger seine Arbeit.

Was finden Sie gut an der EU?

„Ich finde es gut, dass ein starkes und solidarisches Europa den Herausforderungen der Gegenwart, zum Beispiel in der Finanzkrise mit all ihren negativen Nebenwirkungen, wirksam entgegentreten kann.“

Was finden Sie schlecht an der EU?

„Ich finde es schlecht, dass manchmal der Vorwurf der Überregulierung tatsächlich berechtigt ist.“

„Man sollte zur Europawahl gehen, weil . . .

. . . man es sich nicht entgehen lassen sollte, durch die Wahl seiner Interessenvertreter  eigene Belange während der nächsten fünf Jahre vertreten zu wissen.“


 

Für modernere Verwaltungen

 

Markus Städler


Der 40-jährige Markus Städler aus Hofheim (Lkr. Haßberge) arbeitet seit 2011 in Brüssel als Abgeordneter Nationaler Sachverständiger (ANS) bei der Generaldirektion für Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien der Europäischen Kommission. Als ANS ist Städler Beamter im Bundesministerium des Innern in Berlin, wurde jedoch für vier Jahre zur Europäischen Kommission abgeordnet. Dort beschäftigt er sich mit der Modernisierung der Verwaltungen Europas. Ziel ist es beispielsweise, mehr Dienste, sei es auf europäischer Ebene, in Bund, Ländern oder Gemeinden online anzubieten. Dabei unterstützt Städler mit seiner Generaldirektion die Politik und die Umsetzung der sogenannten „Digitalen Agenda“ von Kommissarin Neelie Kroes. „Natürlich halte ich auch den Kontakt nach Deutschland, um zu informieren und Informationen zu bekommen“, sagt er.

Was finden Sie gut an der EU?

„Für mich ist die EU zuallererst ein Friedensprojekt, das hoffentlich für immer einen Krieg in Europa verhindert. Neben den Kosten, darf man die positiven Dinge nicht vergessen, wie das Wegfallen von Geldwechsel oder Grenzkontrollen.“

Was finden Sie schlecht an der EU?

„Es sollte nur das in Brüssel gemacht werden, was auch wirklich dort gemacht werden muss. Vieles kann besser vor Ort in den Ländern oder Gemeinden geregelt werden. Die europäische Idee ist bisher nicht die einer 'Regierung von Europa'. Insbesondere die derzeitige Außenpolitik der europäischen Union vor allem im Umgang mit unseren Nachbarn im Osten, ist nicht besonders erfolgreich. Aber fortgesetzt werden muss die europäische Zusammenarbeit auf jeden Fall.“

„Man sollte zur Europawahl gehen, weil . . .

. . . nur so jeder Einzelne seine Verantwortung für Frieden und Sicherheit in Europa wahrnehmen und zum Ausdruck bringen kann.“
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Benjamin Stahl
Bundesministerium des Innern
Deutscher Bundestag
Europawahlen
Europäische Kommission
Europäische Union
Forschung
Generalsekretäre
Generalsekretäre von Parteien
Kommissionen
Mangold
Nato
Neelie Kroes
Parlamente und Volksvertretungen
Siemens AG
Volkswagen AG
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen