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BERLIN
Unter Schwarz-Rot stiegen die Waffenexporte
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 02.02.2018 03:04 Uhr

Die Empörung des Oppositionsführers war groß. Es sei doch „eine große Schande für dieses Land“, tobte der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel im Juni 2013 in einem Gespräch mit der Deutschen Presseagentur, „dass wir inzwischen zu einem der größten Rüstungsexporteure geworden sind“.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung habe sich „zum Handlungsgehilfen der Rüstungsindustrie“ machen lassen und trete „die Werte unserer Außenpolitik mit Füßen“. Mehr noch: „Unter Angela Merkel sind wir nun zum Helfershelfer für die Aufrüstung von Diktaturen geworden.“

Gabriel als Minister

Mit der SPD als Regierungspartei, so die Botschaft drei Monate vor den Bundestagswahlen 2013, werde es so etwas nicht geben. Man werde die Rüstungsexporte begrenzen und die Lieferungen in Krisenregionen unterbinden.

Tatsächlich jedoch geschah das genaue Gegenteil. Obwohl Sigmar Gabriel als Wirtschaftsminister der Großen Koalition von Ende 2013 bis Anfang 2017 für die Genehmigung aller Waffenlieferungen ins Ausland zuständig war und eine restriktivere Genehmigungspraxis in Aussicht stellte, hat die schwarz-rote Bundesregierung in der abgelaufenen Legislaturperiode mehr Exporte genehmigt als die als wirtschaftsfreundlich geltende Vorgängerregierung von CDU, CSU und FDP zwischen 2009 und 2013.

So stiegen die Ausfuhren in den vergangenen vier Jahren um 21 Prozent auf insgesamt 25,1 Milliarden Euro. Die Lieferungen an sogenannte Drittstaaten, also Staaten außerhalb der EU und der Nato, nahmen sogar um 47 Prozent auf 14,48 Milliarden zu.

Das geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, die am Mittwoch in Berlin bekannt wurde.

Nach den vorläufigen Zahlen aus dem Haus der geschäftsführenden Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) sank zwar der Gesamtwert der Waffenlieferungen im vergangenen Jahr um 6,3 Prozent auf 6,24 Milliarden Euro, dennoch ist dies noch immer der dritthöchste Wert in der Geschichte der Bundesrepublik nach 2015 mit 7,86 Milliarden Euro und 2016 mit 6,85 Milliarden Euro.

Algerien als Großabnehmer

Bei den Drittstaaten war Algerien der Abnehmer Nummer eins. Der Maghreb-Staat kaufte in Deutschland im vergangenen Jahr Waffen und Gerät im Wert von 1,36 Milliarden Euro. Folgenlos blieb das Versprechen der Großen Koalition, keine Waffen in Krisenregionen zu liefern. Mit Ägypten (708,3 Millionen), Saudi-Arabien (254,5 Millionen) und den Vereinigten Arabischen Emiraten (213,9 Millionen) landeten drei Länder, die am Bürgerkrieg im Jemen beteiligt sind, unter den zehn wichtigsten Empfängerländern der deutschen Rüstungsindustrie.

Das Nato-Partnerland Türkei kaufte im vergangenen Jahr Rüstungsgüter im Wert von 34,2 Millionen Euro, im Vergleich zu 2016 haben sich die Ausfuhren somit mehr als halbiert, damals kaufte der Staat am Bosporus für 83,9 Millionen Euro Rüstungsgüter in Deutschland. Vor allem in der zweiten Jahreshälfte sank die Zahl der Genehmigungen als Folge der Spannungen im deutsch-türkischen Verhältnis deutlich auf einen Wert von nur noch 8,5 Millionen Euro.

Vertreter der Grünen und der Linken machten der Bundesregierung schwere Vorwürfe. Die Zahlen zeigten, „dass es ein Maß an moralischer Verkommenheit gibt, das ich nicht für möglich erachtet habe“, sagte Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch in der ARD. Die Große Koalition habe „total versagt“.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter warf der Regierung vor, die Öffentlichkeit getäuscht zu haben. Kritisiert wurde auch, dass die Türkei bei ihrer Offensive auf kurdisch kontrollierte Gebiete im Norden Syriens den von Deutschland gelieferten Kampfpanzer „Leopard 2“ verwende.

Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen forderte einen kompletten Stopp der Lieferungen, zudem dürfe der Panzer nicht von deutschen Firmen mit Minenschutz nachgerüstet werden.

Die Bundesregierung verwies darauf, dass sie bei ihren Genehmigungen die überaus strengen Richtlinien aus dem Jahr 2000 beachte, die zu den restriktivsten der Welt gehörten. Zudem seien viele der von der Großen Koalition genehmigten Ausfuhren bereits von der schwarz-gelben Vorgängerregierung auf den Weg gebracht worden, weshalb sie nicht mehr gestoppt werden konnten. Zudem würden einzelne Großaufträge das Gesamtbild verzerren. So mache ein Kriegsschiff für Algerien ein Drittel des gesamten Exportvolumens für alle Drittländer aus.

 
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