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Berlin
Union lehnt Steuer auf Kohlendioxid ab
Eine Woche vor der entscheidenden Kabinettssitzung zum Klimaschutz liegen Union und SPD in einer zentralen Frage weiter auseinander.
Fahrzeuge stauen sich auf der Autobahn 3 in Nordrhein-Westfalen.
Foto: David Young, dpa | Fahrzeuge stauen sich auf der Autobahn 3 in Nordrhein-Westfalen.
Christian Grimm
Christian Grimm
 |  aktualisiert: 03.10.2019 02:11 Uhr

Eigentlich will die Bundesregierung am 20. September wegweisende Beschlüsse zum Kampf gegen die Aufheizung der Erde fällen. Doch während die SPD auf eine Steuer auf den Ausstoß von Kohlendioxid setzt, stellen sich CDU und CSU quer. „Der, der die CO2-Steuer will, hat nichts anderes vor, als den Menschen in die Tasche zu fassen“, sagte Unions-Fraktionsvize Georg Nüßlein (CSU). Die Große Koalition müsse aufpassen, die „Bevölkerung nicht komplett gegen sich aufzubringen“.

Union schließt CO2-Steuer kategorisch aus - und wendet sich damit gegen SPD

Der Abgeordnete aus Neu-Ulm hat gemeinsam mit seinem CDU-Kollegen Andreas Jung aus Konstanz das Konzept der beiden Schwesterparteien geschrieben. Der Auftrag von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lautete: Kein „Pillepalle.“ Genau wie die Sozialdemokraten will auch das schwäbische Duo, dass das Kohlendioxid teurer wird, das aus Auspuffen von Autos und Lkw und aus Schornsteinen kommt. Der Weg dorthin soll aber ein anderer sein.

Für das Verbrennen von Benzin oder Diesel und von Gas oder Heizöl sollen künftig Verschmutzungsrechte gekauft werden müssen. Der CO2-Ausstoß gilt als wesentlicher Beschleuniger des Klimawandels. „Nicht Hausbesitzer, Autofahrer oder Tankstellenbetreiber müssen dabei mit Zertifikaten handeln, sondern die Inverkehrbringer fossiler Brennstoffe, also zum Beispiel Mineralölkonzerne“, heißt es in ihrem Konzept, das unserer Redaktion vorliegt. Der Aufschlag würde dann automatisch in die Preise für Kraft- und Brennstoffe eingerechnet. Das Ziel ist das gleiche wie bei der SPD: Die Verbraucher sollen sich Zug um Zug umweltfreundliche Autos zulegen, Hausbesitzer in bessere Heizungen investieren.

Die beiden Autoren des Papiers gehen davon aus, dass so ein Handelssystem binnen Jahresfrist aufgesetzt werden kann. Umweltministerin Schulze plant hingegen, ihre CO2-Steuer schon 2020 einzuführen, also ein Jahr eher. Die Abgabe soll auf Sprit, Heizöl und Gas aufgeschlagen werden. Ihr Ansatz sieht vor, den Privathaushalten das Geld über eine Klimaprämie wieder auszuschütten. Unternehmen sollen sich über Förderprogramme für den Umstieg auf Elektro-Wagen einen Teil des Geldes wieder holen. Während die SPD-Politikerin mit 35 Euro je Tonne CO2 einsteigen will, will sich Nüßlein am aktuellen Preis des bestehenden Handels mit Verschmutzungsrechten für Industrie und Stromwirtschaft orientieren. Dort liegt der Preis bei 27 Euro je Tonne.

In Schulzes Auftrag haben Fachleute berechnet, wie viel mehr ein Liter Benzin und Diesel kosten würden, sollte die Tonne Kohlenstoffdioxid 35 Euro kosten: Für Benzin sind es zehn Cent, für Diesel elf Cent. Den Experten zufolge würde der Preis von Heizöl ebenfalls um elf Cent je Liter steigen, für Erdgas würde knapp ein Cent je Kilowattstunde mehr fällig.

Woran sich die beiden Unions-Politiker zudem stören, ist Schulzes bisher nicht ausbuchstabierter Vorschlag, den Bürgern die Steuer durch eine Klimaprämie zurückzuzahlen.  „Schulze sagt ja nicht, wie die Klimaprämie ausgezahlt werden kann. Das gäbe einen irren bürokratischen Aufwand“, monierte Jung. Der Verweis auf die Schweiz als Vorbild tauge nicht, denn dort existiere die dafür nötige Bürokratie bereits. Im Nachbarland wird das Geld über die Krankenversicherer zurückerstattet. Die Union dagegen will mit den Einnahmen die Ökostromumlage abschmelzen, die Haushalte und die meisten Betriebe zahlen müssen. Strom würde dadurch billiger, weshalb sich zum Beispiel der Kauf eines Elektroautos eher lohnen könnte. Die Wirtschaft verlöre nicht an Wettbewerbsfähigkeit.

Dennoch findet sich im Klimakonzept von CDU und CSU auch Raum für Kompromiss mit den Sozialdemokraten. Zum Beispiel bei der steuerlichen Förderung der Sanierung von Häusern. Oder beim Umbau der KFZ-Steuer. „Wir schlagen vor, die KFZ-Steuer bei Neuzulassungen umfassend an den CO2- Emissionen des Fahrzeugs zu bemessen“, schreiben Nüßlein und Jung.  Dass schwere Spritschlucker deutlich mehr zahlen sollen als sparsamen Kleinwagen, unterschreibt auch die Umweltministerin.

Wie CDU und CSU Autofahrern und Pendlern die Sorgen nehmen wollen

Die Ideen der Unionsfraktion gehen deutlich über die reine CO2-Bepreisung hinaus. Neue Technologien sollen gefördert werden, wie zum Beispiel die Einführung synthetischer Kraftstoffe. Zudem sieht das Papier vor, dass Flugtickets über eine höhere Ticketsteuer teurer und Bahnreisen durch den niedrigen Mehrwertsteuersatz billiger werden. Durch eine Abwrackprämie „in Höhe von mehreren tausend Euro“ sollen Hausbesitzer animiert werden, ihre alte Öl- oder Gasheizung auszutauschen.

Autofahrer und Pendler sollen sich keine Sorgen machen müssen, dass sie nicht mehr zur Arbeit kommen. „Wir kommen beide aus ländlichen Gebieten“, sagte Jung, der genau wie Nüßlein stellvertretender Fraktionschef ist. Wenn der Benzinpreis plötzlich durch die Decke ginge, „dann würden die Leute sagen, wie sollen wir das machen?“ Damit in Zukunft der Weg zur Arbeit erschwinglich bleibt, wird nach den Vorstellungen der beiden Fraktionsvizes die Pendlerpauschale angehoben.

Zur Vorbereitung der entscheidenden Sitzung des Klimakabinetts werden am Freitag die Koalitionsspitzen zu einem Klimagespräch zusammenkommen. Mit konkreten Beschlüssen wird nicht gerechnet. Dass sich Schwarz-Rot in den nächsten Tagen beim Kampf gegen die Erderwärmung einigen wird, daran glaubt die schwarze Seite trotz aller Meinungsverschiedenheiten aber schon. „Alle wissen, was die Stunde geschlagen hat. Das ist für die Koalition eine enorm wichtige Frage“, sagte Andreas Jung.

 
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