Oh, wie ist das schön, oh wie ist das schön.“ Die jungen Frauen und Männer vom „teAM“, dem Wahlkampfteam von Angela Merkel in ihren orange-farbenen T-Shirts, kennen kein Halten mehr. Früh schon haben sie den Platz im Atrium des Konrad-Adenauer-Hauses, direkt vor dem Podium, besetzt, um ihr Idol zu feiern. Angela Merkel genießt die Jubelgesänge mit stiller Freude. Sie lächelt entspannt, winkt ins Publikum und nimmt den Beifall ihrer Anhänger in der aus allen Nähten platzenden CDU-Parteizentrale am Rande des Tiergartens entgegen. Noch weiß sie nicht, was die Hochrechnungen der Fernsehanstalten erst etwa eine halbe Stunde später in den Bereich des Möglichen rücken, dass es nämlich mit den rund 42 Prozent der Stimmen für CDU und CSU unter Umständen zur absoluten Mehrheit der Mandate im Bundestag reichen könnte. Das hätte es seit 1957 nicht mehr gegeben, als der legendäre erste Kanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer, 50,2 Prozent der Stimmen erhielt, kein Kanzler nach ihm, weder Willy Brandt noch Helmut Schmidt noch Helmut Kohl, deren Porträts in der Ahnengalerie des Kanzleramtes hängen, haben dies je geschafft.
Es gibt keine Zweifel, dass es bei dieser Wahl nur eine Siegerin gibt: Angela Merkel. Mit dieser Wahl hat sie den Höhepunkt ihrer Macht erreicht. Nach 13 Jahren an der Spitze der CDU und acht Jahren im Kanzleramt führt sie die Union wieder zu alter Stärke, mehr noch, sie holt das beste Ergebnis für die Partei seit 1990, erstmals seit 1994 überspringt sie wieder die 40-Prozent-Marke, die Union liegt 16 Punkte vor der SPD und ist alleine stärker als SPD und Grüne zusammen. „Das ist eine klare Bestätigung für Angela Merkel“, sagt der stellvertretende CDU-Chef Armin Laschet schon kurz nach Schließung der Wahllokale.
Die Siegerin selber bleibt in der Stunde ihres Triumphes so, wie sie immer ist – gelassen, nüchtern, bodenständig. „Ja, liebe Freunde, der Jubel zeigt, wir können uns heute alle freuen. Das ist ein super Ergebnis“, sagt Angela Merkel bei einem kurzen Auftritt im Konrad-Adenauer-Haus. Sogar ihren sonst so öffentlichkeitsscheuen Mann Joachim Sauer hat sie an diesem Abend mitgebracht, dem sie ausdrücklich für seine Unterstützung dankt. Auf die Bühne allerdings will Sauer nicht, die überlässt er seiner Frau, der Kanzlerin, die ihre Stellvertreter Ursula von der Leyen, Thomas Strobl und Armin Laschet, Generalsekretär Hermann Gröhe und Fraktionschef Volker Kauder sowie CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt mitgebracht hat. Die Botschaft ist eindeutig: Diesen Sieg habe die gesamte Unionsfamilie gemeinsam errungen.
Dass ausgerechnet der Koalitionspartner FDP an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert und damit die angestrebte Neuauflage eines schwarz-gelben Bündnisses unmöglich geworden ist, wird in der Union an diesem Abend in Feierlaune eher beiläufig zur Kenntnis genommen. Große Tränen werden im Adenauer-Haus den Liberalen nicht nachgeweint, nicht wenige Christdemokraten sind sogar froh, den schwierigen Partner los zu sein. Merkel selber „bedauert“ das Ausscheiden der FDP. „Ich hätte mir von Herzen gewünscht, dass die FDP einzieht.“ Union und FDP hätten in den vergangenen vier Jahren zusammen eine gute Arbeit geleistet.
Als ob irgendjemand in der FDP schon selbst Zweifel am Slogan gehabt hätte: Nicht weniger als zwölf Mal prangte der Wahlkampfspruch „Nur mit uns“ auf der Bühne des Congress Centers am Alexanderplatz, wo die Freidemokraten am Sonntagabend feiern wollten. Aber die Wähler sahen das mehrheitlich anders – im Sinne von „Nicht mit denen“. Der Wahlabend wurde für die einst so stolze Partei zur historischen Blamage.
Bei den ersten TV-Prognosen, wo die FDP nur noch auf 4,5 beziehungsweise 4,7 Prozent kam, gab es im Saal nur ein leises, langgezogenes „Oooh“ – wie bei einem Schlag in die Magengrube. Die FDP-Spitze um Parteichef Philipp Rösler und Spitzenkandidat Rainer Brüderle verfolgte die Schockzahlen, die sich in den Hochrechnungen bestätigten, in einem Raum im Untergeschoss. Gegen 18.45 Uhr kamen beide ans Rednerpult. „Das ist eine schwere Stunde für die FDP. Als Spitzenkandidat übernehme ich dafür Verantwortung“, sagte Fraktionschef Brüderle. Hinter ihm auf der Bühne standen viele Minister, auch Rösler mit seiner Frau Wiebke. Der Vizekanzler sagte: „Es ist die bitterste, die traurigste Stunde in der Geschichte der Freien Demokratischen Partei.“
Mit diesen Zahlen wären die Liberalen zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik nicht mehr im Bundestag. Wie ginge es dann weiter? Der Verlust einer finanziell gut ausgestatteten Bundestagsfraktion trifft die klamme Partei hart. Die Landesverbände müssen nun dafür sorgen, dass die FDP nicht völlig von der politischen Bildfläche verschwindet. Mit Informationen von dpa