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MOSKAU/KIEW/BRÜSSEL
Ukraine führt Kriegssteuer ein
Bleibt im Amt: Nachdem die Abgeordneten vor einer Woche neue Steuergesetze zur Finanzierung des Bürgerkrieges in der Ostukraine abgelehnt hatten, erklärte der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk seinen Rücktritt. Das Parlament in Kiew lehnte sein Gesuch ab.
Foto: ANDREW KRAVCHENKO, dpa | Bleibt im Amt: Nachdem die Abgeordneten vor einer Woche neue Steuergesetze zur Finanzierung des Bürgerkrieges in der Ostukraine abgelehnt hatten, erklärte der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk seinen Rücktritt.
reda
 |  aktualisiert: 31.07.2014 19:18 Uhr

Der Druck auf Moskau wächst weiter – nicht nur im Konflikt um die Ukraine. Die 28 EU-Regierungen beschlossen am Donnerstag die Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union gegen Moskau offiziell. Zudem sieht sich Moskau nun binnen weniger Tage zum zweiten Mal im Zusammenhang mit der Zerschlagung des früheren russischen Ölkonzerns Yukos mit Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe konfrontiert. Die benachbarte Ukraine griff am Donnerstag zu drastischen Maßnahmen: Die Bürger werden nun für den blutigen Konflikt im Osten des Landes zur Kasse gebeten. Nach langem Zögern beschloss das Parlament in Kiew eine umstrittene Kriegssteuer.

Die Kriegsabgabe von 1,5 Prozent auf alle steuerpflichtigen Privateinkommen im Land soll bis zum 1. Januar 2015 gelten. Mit der Steuer soll die umstrittene „Anti-Terror-Operation“ im Osten des Landes finanziert werden. Zudem gestattete die Ukraine Australien und den Niederlanden die Entsendung bewaffneter Kräfte an den Absturzort von Flug MH17. Beide Länder dürften insgesamt 950 Soldaten und Ermittler zeitweise in Grabowo stationieren. Die Führung in Kiew kündigte auf Drängen der Vereinten Nationen außerdem eine eintägige Waffenruhe an, um den internationalen Experten endlich Zugang zum Absturzgebiet des malaysischen Passagierflugzeugs zu ermöglichen. Noch vor einer Woche hatten die Abgeordneten neue Steuergesetze zur Finanzierung des Bürgerkrieges in der Ostukraine abgelehnt. Deshalb hatte auch Regierungschef Arseni Jazenjuk seinen Rücktritt erklärt. Die Freigabe frischen Geldes für die Militäroperation hatte Jazenjuk als Bedingung für seinen Verbleib im Amt genannt.

Das Parlament sprach ihm nun das Vertrauen aus. Jazenjuks Rücktritt am Donnerstag vor einer Woche hatte eine Regierungskrise ausgelöst. Präsident Petro Poroschenko bat ihn mehrfach, im Amt zu bleiben. Poroschenko zeigte sich nun erleichtert angesichts der neuen Finanzierung für den Bürgerkrieg, der das klamme Land aktuell umgerechnet rund 4,5 Millionen Euro am Tag kostet.

Kein „Gas für Land“-Deal

Auch das benachbarte Russland dürfte der Ukraine-Konflikt teuer zu stehen kommen. Mit den Strafmaßnahmen, die die EU am Donnerstag in einem schriftlichen Verfahren billigte, soll Russlands Präsident Wladimir Putin dazu gebracht werden, die moskautreuen Separatisten in der Ostukraine nicht länger zu unterstützen. Vor allem sehen die Wirtschaftssanktionen eine Erschwerung des Zugangs russischer Banken zu den für Moskau wichtigen Kapitalmärkten der EU vor. Zu den neuen Sanktionen gehören auch ein Waffenembargo, ein Ausfuhrverbot für zivil und militärisch nutzbare Güter an das russische Militär und ein Lieferstopp für Spezialgeräte zur Ölförderung.

Die Bundesregierung dementierte unterdessen deutlich einen britischen Zeitungsbericht mit dem Titel „Gas für Land“, wonach es zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin einen geheimen Plan zur Lösung des Konflikts in der Ukraine gebe. Kernstück des angeblichen Geschäfts: Die internationale Gemeinschaft erkennt die Annexion der Krim an. Im Gegenzug solle der Ukraine ein langfristiger Deal mit dem Gaslieferanten Gazprom angeboten werden. Zudem zahlt Moskau eine Entschädigung in Milliardenhöhe an Kiew, da der Ukraine nach dem Wegfall der Krim künftig Einnahmen durch die russische Schwarzmeer-Flotte entgehen.

Teuer werden könnte für Moskau auch die Zerschlagung des Yukos-Konzerns Anfang des Jahrtausends. Der russische Staat und Gerichte hatten dem früheren Yukos-Eigner und einst reichsten russischen Ölmagnaten Michail Chodorkowski sowie mehreren seiner Geschäftspartner schwere Wirtschaftsstraftaten vorgeworfen. Am Donnerstag wurde Russland zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage wegen seines Vorgehens gegen Yukos zu einer Milliardenentschädigung verurteilt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg sprach den früheren Aktionären eine Entschädigung über knapp 1,9 Milliarden Euro zu. Damit wurden Fehler im russischen Steuerverfahren gegen Yukos geahndet. Erst am Montag hatte der Ständige Schiedsgerichtshof in Den Haag Russland eine Rekordentschädigung von gut 37 Milliarden Euro abverlangt.

Indes warnten Experten vor einer unabsichtlichen militärischen Eskalation zwischen Russland und dem Westen. Kommunikation und gegenseitige Transparenz der Militärs müssten verbessert werden, um versehentliche Zusammenstöße zu vermeiden, erklärte das European Leadership Network in London.

 
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