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BERLIN/MÜNCHEN/AUSCHWITZ
Überlebende erinnern an Auschwitz
Erinnerung: Wie Miroslaw Celka (rechts) kamen Holocaust-Überlebende aus aller Welt nach Auschwitz zum Gedenken an die Befreiung des Vernichtungslagers durch die Rote Armee vor 70 Jahren.
Foto: Andrzej Grygiel, dpa | Erinnerung: Wie Miroslaw Celka (rechts) kamen Holocaust-Überlebende aus aller Welt nach Auschwitz zum Gedenken an die Befreiung des Vernichtungslagers durch die Rote Armee vor 70 Jahren.
reda
 |  aktualisiert: 24.05.2022 09:39 Uhr

Marian Turski hat den Holocaust überlebt. Als 18-Jähriger war er in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert worden, das die Rote Armee vor 70 Jahren befreite. Sein Leiden war damit aber noch nicht vorbei. Denn er musste am Marsch zum KZ Buchenwald teilnehmen, mit dem die Nazis sich und die Gefangenen den Alliierten entziehen und Beweise vernichten wollten. Viele Menschen starben dabei. Später musste Turski auch noch in das Ghetto Theresienstadt. Stellvertretend für alle, die die Gräuel überlebten, nimmt der mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland Ausgezeichnete neben anderen Opfern auf der Besuchertribüne des Bundestags an der Gedenkstunde zur Befreiung von Auschwitz teil.

Bundespräsident Joachim Gauck erinnert in seiner Rede auch an die Retter und an die, die nicht weiterleben konnten. So wie Willy Cohn, der noch im Ersten Weltkrieg mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden war und auch später trotz der Berichte über die entstehenden Ghettos zu seinem Vaterland stand. „Er bewahrte sich bis zuletzt eine unerschütterliche Treue zu Deutschland“, sagt der Bundespräsident. Bis Cohn im November 1941 mit seiner Familie und vielen anderen Juden erschossen wurde.

Sich den Verbrechen stellen

Doch die Täter seien in den Nachkriegsjahren nur sehr schleppend zur Verantwortung gezogen worden, wenn überhaupt. In den Behörden hätten schließlich nicht wenige gesessen, die auch während der Nazi-Herrschaft bedeutende Ämter bekleideten. „In den Zeiten des Wirtschaftswunders haben in der jungen Bundesrepublik zu viele nach vorne statt auch zurückgeschaut“, betont Gauck. Viele in der Bevölkerung hätten nur wenig Mitleid mit den Opfern gekannt, dafür umso mehr Selbstmitleid gezeigt und sich als Befehlsempfänger von jeglicher Schuld freigesprochen. Erst mit den großen Prozessen Ende der 50er Jahre habe ein Umdenken eingesetzt.

Und auch wenn viele in der DDR diese gerne als das bessere, das antifaschistische Deutschland gesehen hätten, so sei doch auch dort den Menschen die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit größtenteils erspart worden. „Das Gedenken galt fast nur den Widerstandskämpfern“, kritisiert Gauck. Eine Schuld, sich nicht den Verbrechen zu stellen, hätten somit beide Teile Deutschlands gehabt. Ohne Auschwitz und ohne das Erinnern daran könne es aber keine deutsche Identität geben.

Der Holocaust-Überlebende Max Mannheimer hat die umstrittene Pegida-Bewegung als bedenklich und fragwürdig kritisiert – und die Vielzahl von großen Gegendemonstrationen gewürdigt. Diese Anti-Pegida-Proteste seien „notwendiger Ausdruck einer Verneinung von Ausländerfeindlichkeit, Ausgrenzung und Intoleranz“, sagte Mannheimer am Dienstag im Bayerischen Landtag in München.

Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sagte: „Wir wehren uns gegen radikale Hassredner auf unseren Straßen.“ In einem Gedenkakt erinnerten das Parlament und die Staatsregierung an die Opfer des Nationalsozialismus und die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz.

Seehofer und Landtagspräsidentin Barbara Stamm riefen dazu auf, Ausländerfeindlichkeit, Fremdenhass und Antisemitismus entschieden entgegenzutreten. „Freiheit und Demokratie brauchen Erinnerung; Freiheit und Demokratie brauchen aber auch Einsatz, Zivilcourage und Mut“, sagte Seehofer. Stamm betonte, Gewalt und Antisemitismus hätten hierzulande nichts zu suchen. „Wir dulden weder Radikalismus noch Intoleranz.“

Fast 50 Staats- und Regierungschefs aus aller Welt, unter ihnen Bundespräsident Joachim Gauck und Frankreichs Präsident François Hollande, haben im ehemaligen deutschen Vernichtungslager Auschwitz zusammen mit mehr als 300 Überlebenden an die Befreiung des Lagers erinnert und zum Kampf gegen Intoleranz, Gleichgültigkeit und Antisemitismus aufgerufen. „Wir alle müssen uns erinnern“, sagte der ehemalige Auschwitz-Häftling Roman Kent.

„Hölle von Hass und Gewalt“

Überlebende wie er könnten das in Auschwitz Geschehene niemals vergessen, sagte Kent. „Die Schreie der ermordeten Kinder klingen in meinen Ohren, bis ich sterbe. Die Unmenschlichkeit von damals ist in meine Erinnerung gemeißelt. Diese Erlebnisse halten uns wach bis ans Ende unserer Tage.“ Die Überlebenden könnten nie vergessen – denn dann würde „das Gewissen der Menschheit zusammen mit den Opfern begraben werden“. „Wir alle müssen unsere Kinder Toleranz und Verständnis lehren“, forderte Kent.

Der polnische Präsident Bronislaw Komorowski nannte Auschwitz eine „Hölle von Hass und Gewalt“. „Erinnern wir uns, wozu der Bruch internationalen Rechts auf Selbstbestimmung führt, das Prinzip der Unverletzbarkeit von Grenzen, Menschenverachtung und Gleichgültigkeit gegenüber dem Bösen.“ Mit Informationen von dpa

 
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