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ABU DHABI
Über 2000 Luftangriffe auf Sanaa
Martin Gehlen
 |  aktualisiert: 10.09.2015 19:37 Uhr

„Unsere Rache wird nicht lange auf sich warten lassen“, polterte Abu Dhabis Kronprinz Mohammed bin Zayed. „Wir werden so lange weiterbomben, bis der Jemen von diesem Abschaum gesäubert ist.“ Mit Abschaum meint der superreiche Emir die schiitischen Huthis, die letzten Freitag beim Angriff auf ein Armeelager der Golfstaaten 45 emiratische, zehn saudische und fünf bahrainische Soldaten töteten – der bisher schwerste Verlust der Golf-Alliierten.

Seit März führt ihre Militärkoalition Krieg gegen die nordjemenitischen Stammeskämpfer, die sie als fünfte Kolonne des Iran betrachtet. Mit den Huthis verbündet dagegen ist Jemens ehemaliger Langzeitpräsident Ali Abdullah Saleh, der ihm gegenüber loyale Armeeeinheiten kommandiert. Fünf Monate lang zermahlen Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate nun schon mit ihren hochmodernen US-Kampfjets das Armenhaus der Arabischen Welt.

Ganze Teile der Hauptstadt Sanaa liegen in Trümmern, mehr als 1,5 Millionen Menschen sind auf der Flucht, 4500 bisher von Raketen und Bomben zerfetzt, 23 000 verletzt. Kriegsziel der Golf-Koalition ist es, den von den Huthis im März vertriebenen Präsidenten Abed Rabbo Mansour Hadi wieder zurück an die Macht zu bomben.

Doch seit dem Massaker in den eigenen Reihen kochen die superreichen Kriegsherren von „Decisive Storm“, die zusammen der größte Waffeneinkäufer der Welt sind. Für die nächsten Wochen nun blasen sie zum Sturm auf die Hauptstadt Sanaa. Die ersten 1000 saudischen Elitesoldaten wurden bereits ins Kampfgebiet verlegt. Katar sagte weitere 1000 Soldaten zu, der Sudan nach saudischen Medienberichten sogar 6000. Ägypten ist mit 800 Mann an dieser panarabischen Invasionsarmee beteiligt, deren Aufmarsch eine erhebliche Eskalation des Krieges bedeutet. „Wir haben Kräfte geschickt, weil Ägypten eine prominente Rolle in dieser Allianz spielt“, zitierten Kairoer Medien einen ungenannten hohen Militär. Man werde den Tod jedes ägyptischen Soldaten als Ehre betrachten und als Martyrium für ein unschuldiges Volk.

In Wirklichkeit jedoch entwickelt sich das Kriegsgeschehen für das jemenitische Volk zu einer nationalen Katastrophe. Allein Sanaa erlebte bisher über 2000 Luftangriffe, die beiden nächstgrößten Städte Aden und Taiz sind Ruinenlandschaften. Kasernen und Brücken, Wohnviertel und Schulen, Präsidentenpalast und Ministerien, Lebensmittelfabriken und Märkte, ja selbst Häuser der Weltkulturerbe-Altstadt wurden zerstört. 80 Prozent der 24 Millionen Jemeniten haben nicht mehr genug zu essen, weil nahezu alle Lebensmittel importiert werden müssen.

„Das Ausmaß des menschlichen Leidens ist unbeschreiblich“, erklärte der UN-Chef für humanitäre Hilfe, Stephen O'Brien. In Krankenhäusern lägen die Verletzten auf Bodenpappen, alle Blutkonserven seien aufgebraucht, selbst sterile Gummihandschuhe für Untersuchungen gebe es nicht mehr. Denn sämtliche Häfen des Jemen werden von Kriegsschiffen blockiert, der wichtigste in Hodeidah ist zerstört, ein Angriff, den O?Brien empört als „Verstoß gegen das internationale Menschenrecht“ verurteilte.

„Nach fünf Monaten Krieg sieht Jemen bereits aus wie Syrien nach fünf Jahren Krieg“, klagte kürzlich Peter Maurer, Chef des „Internationalen Roten Kreuzes“ nach einem Besuch vor Ort. Denn die Infrastruktur des Landes war schon vorher stark ramponiert. Mittlerweile geht gar nichts mehr. In Sanaa gibt es alle paar Tage eine Stunde Strom, kein fließend Wasser, Benzin kostet fünf Dollar der Liter. Viele der zwei Millionen Einwohner sind völlig übernächtigt und mit ihren Nerven am Ende. Wer kann, flieht aufs Land oder in die umliegenden Berge. „Hier ist nichts mehr sicher“, sagt einer der Verzweifelten. „Unsere Wohnviertel werden rund um die Uhr bombardiert.“

 
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