
Sie nannten ihn die „Bestie“. Ob der Vergleich aus dem Tierreich geeignet ist, um die Schwere seiner Taten zu beschreiben, steht dahin. Toto Riina, bis zuletzt unangefochtener Boss der sizilianischen Cosa Nostra, ist in der Haft in einem Gefängniskrankenhaus in Parma gestorben. 87 Jahre war der als „capo dei capi“ (Boss der Bosse) berüchtigte Mafioso alt, seit Tagen lag er bereits im künstlichen Koma. Seinen Kindern und seiner Ehefrau hatte der italienische Justizminister erst kurz vor dem Tod die Erlaubnis erteilt, Riina zu verabschieden. Zu spät, wie sich erwies.
Mit 19 den ersten Mord begangen
Einen Antrag auf die Rückkehr in seinen sizilianischen Geburtsort Corleone lehnte ein Gericht zuvor ab. Riina galt trotz seines hohen Alters, seiner Herz- und Nierenprobleme immer noch als gefährlich. Der Aufstieg des Bauernjungen zum Mafiaboss begann unter dramatischen Umständen. Seinen Vater und seinen Bruder verlor der 13-jährige Riina bei einem Unfall in der Umgebung von Corleone. Bald geriet er in die Fänge der lokalen Bosse, die die Fähigkeiten des Jungen als Vieh- und Getreidedieb schätzten. Mit 19 beging er seinen ersten Mord.
Es war seine Skrupellosigkeit, mit der sich Riina in den folgenden Jahrzehnten an die Spitze der Organisation hocharbeitete. Seine Methode: Bedrohungen, Erpressungen, Morde. 26 lebenslängliche Haftstrafen hat Riina im Laufe seiner kriminellen Karriere angesammelt.
Über 100 Morde auf dem Konto
In einem brutalen Mafiakrieg schwang sich Riina seit Ende der 60er Jahre zum unangefochteten Boss der Cosa Nostra auf. Zwischen 100 und 150 Morde sollen auf sein Konto gehen. Die bekanntesten Taten, die ihm zur Last gelegt werden, sind die Ermordung der sizilianischen Staatsanwälte Giovanni Falcone und seiner Eskorte sowie Paolo Borsellino im Jahr 1992. Der Staat hatte den Kampf mit der Mafia aufgenommen. Riina erklärte dem Staat den Krieg.
Der Boss aus Corleone gab Morde an Staatsanwälten, Polizisten, Gewerkschaftern, Journalisten, Ärzten und Politikern in Auftrag. Riina soll auch für mehrere Bombenanschläge verantwortlich sein, die 1993 in Rom, Mailand und Florenz zehn Menschen das Leben kosteten. Zeitgleich mit dem Aufstieg Silvio Berlusconis in der italienischen Politik soll der italienische Staat schließlich in Verhandlungen mit Cosa Nostra getreten sein. Riina war einer der Angeklagten in einem derzeit laufenden Prozess zum Thema. „Er nimmt viele Geheimnisse mit ins Grab“, schrieb die Zeitschrift „L'Espresso“.
24 Jahre lang auf der Flucht
Eines dieser Geheimnisse ist auch, wie es Riina gelingen konnte, 24 Jahre lang auf der Flucht zu sein. Wahrscheinlich hielt sich der Pate in dieser Zeit hauptsächlich in seiner Heimat Sizilien auf. Vier Kinder gebar seine Ehefrau Ninetta Bagarella in einem Krankenhaus in Palermo, während Riina von der italienischen Polizei gesucht wurde. Sein ältester Sohn sitzt heute wegen Mordes im Gefängnis. Am 15. Januar 1993 wurde Riina in der Nähe seiner Wohnung in Palermo festgenommen. Offenbar war es erst dann eine politische Priorität, den Boss der Bosse dingfest zu machen. Der im vergangenen Jahr verstorbene Bernardo Provenzano, ebenfalls aus Corleone, trat die Nachfolge Riinas an und wurde 2006 ebenfalls in unmittelbarer Nähe seiner Verwandten festgenommen.
Seither gilt Matteo Messina Denaro als Führungsfigur der Cosa Nostra, um die es ruhiger geworden ist. Das hat auch mit der Vorgehensweise der Mafia zu tun, die nicht mehr auf Konfrontation, sondern auf Korruption spezialisiert ist. „Die Clans haben die Strategie der gewaltsamen Einschüchterung abgelegt, um ihre Ziele am Verhandlungstisch zu erreichen“, sagt der Leiter der nationalen Antimafiabehörde Federico Cafiero de Raho.
Bis zuletzt soll Riina selbst aus dem Gefängnis tonangebend gewesen sein. „Niemand kann mich zerstören“, soll er zuletzt in einem abgehörten Gespräch geäußert haben.