In der Krise um illegal abgehörte Gespräche in Polen will die nationalkonservative Opposition Regierungschef Donald Tusk das Misstrauen aussprechen. Damit soll die liberalkonservative Koalition Tusks, der erst am Mittwochabend im Parlament erfolgreich die Vertrauensfrage gestellt hatte, doch noch zum Rücktritt gezwungen werden. Über das Misstrauensvotum solle bei der am 9. Juli beginnenden nächsten Parlamentssitzung abgestimmt werden, sagte der Fraktionschef der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), Mariusz Blaszczak, am Donnerstag.
Die polnische Regierung war durch die Abhöraffäre um illegal aufgezeichnete Privatgespräche mehrerer Kabinettsmitglieder in eine schwere Krise geraten. Rechtsbrüche wurden den Politikern nicht vorgeworfen. Tusk hatte mit der Vertrauensfrage am Mittwoch die Opposition überrascht und sich angesichts polnischer Ambitionen auf einen EU-Topposten zugleich vor dem am Donnerstag beginnenden EU-Gipfel Rückendeckung gesichert. Regierungssprecherin Malgorzata Kidawa Blonska sagte, die Vertrauensabstimmung für Tusk habe gezeigt, dass die „Versuche der PiS zur Destabilisierung des Staates nicht gelingen“. Der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski sagte, seine Partei werde die Abhöraffäre, „unaufhörlich ins Gespräch bringen bis zu den Wahlen, wann immer sie stattfinden“.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt in der Abhöraffäre gegen einen 39-jährigen Geschäftsmann und dessen Schwager. Beide Männer waren am Mittwoch nach ihrer Vernehmung gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt worden. Das sichergestellte Beweismaterial reiche aber nicht aus, um ihnen die Beteiligung an einer organisierten kriminellen Gruppe vorzuwerfen, sagte Behördensprecherin Renata Mazur. Donald Tusk hatte gesagt, die Abhöraffäre stehe im Zusammenhang mit „Personen, die sich mit Gasverbindungen nach Russland befassen“.