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Istanbul
Türkische Justiz macht neuen Druck im Fall Mesale Tolu
Behörden ziehen Pass von Tolus Ehemann ein und verhängen Ausreisesperre
Die Journalistin Mesale Tolu
Foto: Felix Kästle, dpa | Die Journalistin Mesale Tolu
Susanne Güsten       -  Susanne Güsten war Korrespondentin in der Türkei.
Susanne Güsten
 |  aktualisiert: 30.05.2019 02:11 Uhr

Im Fall der deutschen Übersetzerin Mesale Tolu und ihres türkischen Mannes Suat Corlu macht die türkische Justiz neuen Druck. Corlu war nach Istanbul gekommen, um am Donnerstag an der Fortsetzung des Strafprozesses gegen ihn selbst, Mesale Tolu und mehr als 20 weitere Angeklagte teilzunehmen. Bei der Ankunft am Flughafen zog die Istanbuler Grenzpolizei seinen Pass ein – warum, blieb unklar. Nun kann Corlu bis auf weiteres nicht zu seiner Familie in die Bundesrepublik heimkehren. „Das ist an Absurdität nicht zu überbieten”, kritisierte die Grünen-Politikerin Margit Stumpp.

Das Verfahren gegen Tolu gehörte in den vergangenen Jahren wie die Anklagen gegen den Journalisten Deniz Yücel und den Berliner Menschenrechtler Peter Steudtner zu einer Reihe von Strafprozessen gegen Bundesbürger in der Türkei, die das Verhältnis zwischen den beiden Ländern schwer belasteten. Mit Tolus Freilassung und Ausreisegenehmigung hatte Ankara versöhnliche Signale nach Berlin gesandt. Das neue Ausreiseverbot gegen Tolus Ehemann lässt nun wieder Zweifel aufkommen: Die türkische Justiz sei zu einem „Unrechtssystem geworden“, schimpfte Stumpp, die medienpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag.

Anklage fordert 20 Jahre Haft

Tolu, Corlu und die anderen Angeklagten waren im April 2017 wegen des Vorwurfes der Mitgliedschaft in einer linksextremistischen Gruppe inhaftiert worden. Die Anklage fordert bis zu 20 Jahre Haft für die Beschuldigten.

Tolu saß bis Dezember 2017 in türkischer Haft und musste anschließend bis zum August vergangenen Jahres auf das Ende ihrer Ausreisesperre warten. Sie kehrte mit ihrem kleinen Serkan in ihre Heimatstadt Ulm zurück, während ihr Mann zunächst in der Türkei zurückbleiben musste. Erst im Oktober erhielt auch Suat Corlu, der anders als seine Frau keinen deutschen Pass besitzt, die Genehmigung zur Ausreise. Im Januar kehrte er noch einmal zu einer Gerichtsverhandlung nach Istanbul zurück und reiste dann wieder zu seiner Familie nach Deutschland.

Am Tag vor der Fortsetzung des Verfahrens flog Corlu am Mittwochabend erneut aus der Bundesrepublik zum Istanbuler Flughafen Sabiha Gökcen im asiatischen Teil der Metropole. Dort erlebt er eine böse Überraschung: Sein Pass wurde eingezogen. Gegen ihn bestehe seit dem 14. Mai auf Anordnung der Polizei in Ankara ein Ausreiseverbot, teilten die Grenzpolizisten mit, wie Corlu auf Twitter schrieb.

Angebliche Disziplinarverstöße

Vor dem Istanbuler Gericht am Donnerstag stellte sich heraus, dass die neue Ausreisesperre nichts mit dem laufenden Prozess zu tun hat. Es gebe drei weitere staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen ihn, sagte der Richter. Weitere Einzelheiten waren nicht bekannt. Laut Stumpp könnte der Grund für die Ausreisesperre in „angeblichen Disziplinarverstößen“ Corlus während seiner Haft vor zwei Jahren liegen.

Das neue Ausreiseverbot ist besonders bitter, weil Mesale Tolu und Suat Corlu mit ihren Prozess-Besuchen unterstreichen wollten, dass sie sich der türkischen Justiz nicht entziehen. Der Prozess gegen sie und ihre Mitangeklagten wird erst am 11. Oktober fortgesetzt – möglicherweise wird Corlu bis dahin in der Türkei bleiben müssen. Die Familie wird also erneut getrennt.

Anonymer Zeuge

Auch in anderen Aspekten des Strafverfahrens sieht die Grünen-Politikerin Stumpp einen Hinweis darauf, dass es der türkischen Justiz nicht um eine möglichst rasche Klärung der Vorwürfe geht. So sollte am Donnerstag eigentlich ein anonymer Zeuge vernommen werden, der Vorwürfe gegen die Angeklagten geäußert haben soll. Aus „technischen“ Gründen sei das aber nicht möglich, teilte das Gericht mit. Dennoch ließen die Richter die Ausreiseverbote für 22 Angeklagte in Kraft.

„Scheinbar kann die Anklage keine glaubwürdigen Zeugen finden, die ihre abstruse Pauschalanklage der Terrorgefahr, die von den Angeklagten ausgehen soll, bekräftigen“, erklärte Stumpp. „Die Zermürbungstaktik der Staatsanwaltschaft ist offensichtlich.”

 
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