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ANKARA
Türkei schießt mit Panzerhaubitzen nach Syrien
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 |  aktualisiert: 24.05.2022 09:36 Uhr

„Firtina“ (Sturm) – heißt die türkische Panzerhaubitze, deren Einsatz an der syrischen Grenze eine neue Wendung in dem fast fünf Jahre alten Konflikt beim türkischen Nachbarn markiert. Die Haubitzen nahmen am Samstag und Sonntag syrische Regierungstruppen und eine kurdische Miliz im Norden Syriens unter Beschuss. Regierungsnahe Medien in der Türkei meldeten, fast 40 Kurdenkämpfer seien dabei getötet worden.

Die Bedeutung der Bombardements ist potenziell sehr weitreichend – zum ersten Mal setzt Ankara das eigene Militär ein, um direkt in den Krieg jenseits der Grenze zu intervenieren: Die Türkei will einen Vormarsch der syrischen Kurden nahe der Grenze stoppen und einen Versorgungskorridor für protürkische Rebellen offenhalten. Da die „Firtina“-Haubitze eine Reichweite von 40 Kilometer hat, kann die Türkei auch Gebiete tief in Syrien treffen. Gleichzeitig denkt Ankara gemeinsam mit Saudi-Arabien über eine Entsendung von Bodentruppen nach.

Offiziell erklärt Ankara den Beschuss mit der Bedrohung des türkischen Staatsgebietes durch die syrischen Regierungstruppen und die Kurdenmiliz YPG. Diese hatte in den vergangenen Tagen die Offensive der syrischen Armee nördlich der Großstadt Aleppo für eigene Geländegewinne genutzt. In der Nähe der Stadt Azaz, die nur wenige Kilometer von der türkischen Grenze entfernt liegt, eroberten die Kurden einen Luftwaffenstützpunkt, der bis dahin von der zu El Kaida gehörenden Nusra-Front und der von der Türkei unterstützten Miliz Ahrar-as Sam gehalten wurde.

Washington ist besorgt

Die YPG ist der bewaffnete Arme der syrischen Kurdenpartei PYD. Beide Gruppen werden von Ankara als syrische Ableger der Rebellenorganisation PKK und damit als Terrororganisationen gesehen. Von den USA werden die syrischen Kurden dagegen als Partner im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) unterstützt. Entsprechend alarmiert reagierte Washington auf die Ereignisse in Nordsyrien. Das US-Außenministerium warnte die YPG vor einem weiteren Vormarsch und rief die Türkei auf, das Bombardement zu stoppen. Dennoch ging der Beschuss am Sonntag weiter.

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu verlangte, die Kurden sollten die frisch eroberten Gebiete wieder aufgeben und sich zurückziehen. PYD-Chef Salih Müslim wies das zurück. Die Türkei habe kein Recht, sich in innersyrische Angelegenheiten einzumischen, sagte Müslim im Gespräch mit Reuters. Sollte die Türkei in Syrien eingreifen, werde sie „das ganze syrische Volk“ gegen sich haben. Davutoglu betonte, die Türkei wolle mit ihrem Beschuss die nahe der Grenze ausharrenden Flüchtlinge sowie gemäßigte Rebellengruppen in Syrien schützen. Damit erklärte der Premier das Gebiet um Azaz indirekt zu einer türkischen „Schutzzone“ – ein Projekt, das Ankara seit Jahren anstrebt.

Türkischen Artilleriebeschuss nach Syrien hinein gab es schon mehrmals. Neu ist an der jetzigen Situation, dass das Nato-Land den Norden Syriens ganz offen als Teil seines Einflussgebietes definiert: Wenn die YPG auf syrischem Boden in Azaz vorrückt, wird das in Ankara als Anlass für eine militärische Intervention gewertet.

Damit wächst das Risiko einer immer stärkeren militärischen Verwicklung der Türkei in den Syrien-Konflikt und einer direkten Konfrontation mit Russland. Außenminister Mevlüt Cavusoglu sprach von einer möglichen Bodenoffensive der Türkei und Saudi-Arabien gegen den IS.

 
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