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ANKARA
Türkei im Fadenkreuz
Gerd Höhler
Gerd Höhler
 |  aktualisiert: 25.12.2016 03:34 Uhr

Die Spirale der Gewalt in der Türkei dreht sich immer schneller. Nur eine Woche nach den Selbstmordanschlägen von Istanbul, die 44 Tote forderten, starben am Samstag weitere 14 Menschen bei einem Attentat. Wieder trägt die Bluttat die Handschrift kurdischer Extremisten. Staatschef Recep Tayyip Erdogan ruft zur „nationalen Mobilmachung“ gegen den Terror.

Kayseri ist eine aufstrebende Millionenstadt in Zentralanatolien, bekannt bei Touristen als Ausgangspunkt für Touren zu den Naturschönheiten Kappadokiens. Kayseri ist aber auch eine Garnisonsstadt. Am Samstagmorgen besteigt eine Gruppe Luftwaffensoldaten vor ihrer Kaserne einen Reisebus, der sie an diesem freien Tag zum Einkaufen ins Stadtzentrum bringen soll. Als der Bus am Campus der Erciyes-Universität vor einer roten Ampel anhält, explodiert neben ihm ein mit Sprengstoff vollgepacktes Auto. 13 Soldaten sind sofort tot, ein weiterer stirbt später im Krankenhaus.

Die Bombe sei von ähnlicher Bauart gewesen wie eine Woche zuvor bei den Anschlägen in Istanbul, zu denen sich die kurdische Terrororganisation TAK bekannte, sagte Vizepremier und Regierungssprecher Numan Kurtulmus. „Das waren Bauteile, die man nicht im Supermarkt kaufen kann, dafür braucht man logistische Unterstützung“, sagte Kurtulmus. Die TAK ist ein Ableger der verbotenen kurdischen PKK. „Bisher deuten alle Hinweise auf die PKK hin“, sagte Kurtulmus. Die TAK hat in den vergangenen Jahren bereits Dutzende schwere Anschläge verübt. Meist richten sie sich gegen Soldaten und Polizisten. Die Terroristen nehmen aber bewusst auch zivile Opfer in Kauf und drohten kürzlich sogar Touristen, sie seien in der Türkei nicht mehr sicher. 15 Verdächtige seien wegen möglicher Verbindungen zu dem Attentat festgenommen worden, sagte am Sonntag der Staatsanwalt von Kayseri, Mustafa Arslantürk. Während die Ermittler daran arbeiten, die Hintermänner des Anschlags zu identifizieren, richtet sich die Wut mancher Türken gegen die pro-kurdische Partei HDP. Sie hatte zwar den Anschlag von Kayseri, wie auch die Attentate von Istanbul scharf verurteilt. Dennoch stürmten aufgebrachte Demonstranten am Samstag das Büro der HDP in Kayseri, verwüsteten die Einrichtung und verbrannten Akten.

Auch in Ankara, Istanbul und anderen Städten wurden HDP-Büros angegriffen. In sozialen Medien kursierten am Wochenende Morddrohungen gegen Kurdenpolitiker. An der Pogromstimmung ist Staatschef Erdogan nicht unschuldig. Er sieht in der HDP den politischen Arm der PKK. Hunderte HDP-Funktionäre wurden in den vergangenen Wochen wegen „Terrorpropaganda“ festgenommen, die beiden Parteivorsitzenden und mehrere HDP-Abgeordnete sitzen in Untersuchungshaft.

Mit dem Anschlag von Kayseri erreicht der Kurdenkonflikt eine neue Eskalationsstufe. Die Regierung antwortet mit martialischen Tönen: Präsident Erdogan rief die Türken zur „nationalen Mobilmachung“ auf. Und Regierungschef Binali Yildirim kündigte an, der Kampf gegen den Terror werde fortgesetzt – „bis zum letzten Mann“. Foto: dpa

 
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