Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hat Deutschland um mehr Unterstützung für einen EU-Beitritt seines Landes gebeten. Bei seinem ersten Besuch in Berlin begründete Davutoglu dies am Montag in Berlin auch damit, dass einer anti-islamischen Stimmung entgegengewirkt werden müsse. Die Aufnahme eines muslimischen Landes würde der Europäischen Union eine neue Dimension geben. Der Beitritt der Türkei wäre deshalb ein „Friedenssignal für die Welt“.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) steht einer Vollmitgliedschaft der Türkei jedoch weiterhin skeptisch gegenüber. Zugleich sprach sie sich für weitere Verhandlungen aus und betonte: „Der Islam gehört zu Deutschland.“ Die Türkei ist bereits seit 1999 Beitrittskandidat. Die Verhandlungen gehen aber seit Jahren nur äußerst schleppend voran.
Merkel und Davutoglu vereinbarten, dass es wegen der breiten Palette an Themen künftig regelmäßige deutsch-türkische Regierungskonsultationen geben soll. Die Kanzlerin will 2016 mit Kabinettsmitgliedern zur ersten Runde nach Ankara reisen, wie Regierungssprecher Steffen Seibert mitteilte.
Nach den Anschlägen von Paris warnte Davutoglu vor einem Zuwachs anti-islamischer Strömungen. Die EU sei auch ein großes multikulturelles Projekt. „Wenn die Türkei beitreten würde, würde anderen Kreisen der Boden entzogen, auf dem sie Konflikte schüren wollen“, sagte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel.
Die Kanzlerin bezeichnete die Türkei als „Verbündeten“ im Kampf gegen den Terrorismus. „Wir handeln gemeinsam. Wir haben manchmal unterschiedliche Nuancen in Auffassungen. Aber das bringt uns nicht davon ab, dass wir Seite an Seite gegen den Terrorismus stehen.“
Merkel betonte, dass der Islam zu Deutschland gehöre. Sie teile die Ansicht, die der damalige Bundespräsident Christian Wulff 2010 geäußert hatte. „Ich bin die Bundeskanzlerin aller Deutschen. Das schließt alle, die hier dauerhaft leben, mit ein, egal welchen Ursprungs und welcher Herkunft sie sind.“ Unabhängig von der Religion seien alle herzlich willkommen, die sich zu den deutschen Gesetzen bekennen würden und auch Sprachkenntnisse hätten.
Davutoglu warnte davor, den Islam generell mit Terrorismus in Verbindung zu bringen. „Wenn man von islamischem Terrorismus spricht, besteht das Risiko, das man alle Muslime unter dieser Bezeichnung zusammenführt. Das ist nicht abzeptabel.“
Die Türkei habe bei der Mordserie des NSU, der vorwiegend türkischstämmige Bürger zum Opfer fielen, auch „nie von irgendwelchen christlichen Terroristen“ gesprochen. „Wir sind gegen alle radikale Strömungen, auch gegen Fremdenfeindlichkeit. Diese Strömungen sind gefährlich, egal von woher sie kommen“, betonte er.
Davotuglu setzte sich auch gegen Vorwürfe zur Wehr, die Türkei unternehme zu wenig im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus. „Man sollte die Türkei nicht in ungerechtfertigter Weise beschuldigen. Das werden wir nicht akzeptieren.“ Sein Land sei weiterhin zu „jeder nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit“ bereit.
Merkel sagte, ihre Meinung dazu habe sich nicht geändert. Trotz der „Skepsis über die Vollmitgliedschaft“ sei sie aber dafür, dass die Verhandlungen weitergingen.