Die konservative Regierung in Tschechien zerbricht an den korrupten Machenschaften, die sie eigentlich bekämpfen wollte. Dahinter steht eine Spionage- und Liebesgeschichte mit bösem Ende.
Der einst als Saubermann und Korruptionsbekämpfer angetretene tschechische Ministerpräsident Petr Necas erlebt einen bitterbösen Absturz. Mit seinem späten Rücktritt habe er den Augenblick für einen würdevollen Abgang verpasst, meinen Experten. Der Druck von allen Seiten war für den blassen und oft wenig entscheidungsfreudigen Politiker am Ende wohl doch zu groß.
Wenn es stimmt, was die Staatsanwaltschaft behauptet, dann ließ Necas' Kabinettschefin Jana Nagyova die Noch-Ehefrau des Ministerpräsidenten durch den Militärgeheimdienst beschatten. Ob aus Eifersucht oder aus Sorge vor einem Medienskandal, dürfte letztlich kaum einen Unterschied machen.
„Ich habe in drei Jahren viele politische Krisen und vermeintliche Regierungsstürze überstanden, überlebt und ausgehalten“, sagte Necas. Nun sei der Augenblick gekommen, an dem er nicht mehr weitermachen könne. Er gebe auch den Parteivorsitz ab.
Seit Samstag sitzt Necas' Vertraute Nagyova in Untersuchungshaft. „Sie hatte überhaupt keinen Schimmer, dass ihre Gespräche abgehört werden“, sagte ihr Anwalt Eduard Bruna der Zeitung „Pravo“. Zudem hätte sich seine Klientin die illegale Beauftragung des Geheimdienstes offenbar sparen können. „Nichts ist dabei herausgekommen“, betonte Bruna.
Bis zuletzt versuchten Regierungspolitiker, die Affäre herunterzuspielen. „Zwei Weiber, von denen die eine auf die andere losgeht“, sagte Außenminister Karel Schwarzenberg der Zeitung „Lidove Noviny“. Das sei zwar peinlich, aber lese sich wie ein kitschiger Frauenroman.
Die Opposition sieht das weniger rosig, denn die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft wiegen schwer. Nagyova soll Abgeordnete der Regierungskoalition mit lukrativen Angeboten gefügig gemacht haben, um so die wackelige Mehrheit für ein zentrales Steuerpaket zu sichern. Und dann sind da auch noch die mysteriösen Millionen, die Ermittler bei der Großrazzia am vorigen Donnerstag sichergestellt haben. Woher der Betrag von umgerechnet rund fünf Millionen Euro kommt und wofür er gedacht war, ist nach wie vor nicht bekannt.
Privatleben ausspioniert
Nach Ansicht des Vorsitzenden der oppositionellen Sozialdemokraten dreht sich der Skandal nicht allein um das Privatleben des Ministerpräsidenten. „Im Kern geht es um die enge und langjährige Verzahnung der stärksten Regierungspartei ODS mit politischen Unternehmern, den sogenannten Mafia-Paten“, sagte Bohuslav Sobotka am Montag.
Ob der linke Präsident Milos Zeman dem äußerst ehrgeizigen Necas-Parteifreund Martin Kuba die Chance zu einer erneuten Regierungsbildung gibt, ist daher mit vielen Fragezeichen versehen. Ebenso wahrscheinlich scheint Beobachtern eine Beamtenregierung.
Für viele Tschechen im Einzugsgebiet von Moldau und Elbe kommt die Regierungskrise in jedem Fall zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Eine verheerende Hochwasserkatastrophe hat große Schäden angerichtet. Viele hart getroffene Kommunen befürchten nun, dass die dringend nötigen Aufbauarbeiten in den Hintergrund rücken werden.
Der in Tschechien beispiellose Skandal war am Donnerstag öffentlich geworden. Auslöser war eine spektakuläre Großrazzia der Polizei mit rund 400 Beamten in der Prager Staatskanzlei, dem Verteidigungsministerium sowie in Privathäusern. Präsident Zeman legte Necas daraufhin indirekt den Rücktritt nahe. Erst stemmte Necas sich vehement dagegen, warf aber dann doch das Handtuch.
Die oppositionellen Sozialdemokraten (CSSD) pochten am Montag auf baldige Neuwahlen. „Es gibt keinen Grund, die erfolglosen konservativen Parteien erneut mit der Regierungsbildung zu beauftragen“, sagte ihr Vorsitzender Bohuslav Sobotka. Alternativ könnte das Abgeordnetenhaus mit seiner Selbstauflösung den Weg für Neuwahlen freimachen.