Donald Trump hat Rekorde versprochen und geliefert – allerdings andere als erhofft. Schon vor der traditionell als Messlatte herangezogenen 100-Tage-Marke fällt die Bilanz über die Regierung des neuen US-Präsidenten vernichtend aus: Gesundheitsreform geplatzt, Muslim-Bann gescheitert, Regierungspartei zerstritten. Bei Trump rächt sich unter anderem, dass er ganz offensichtlich kein Interesse an der politischen Substanz der Regierungsarbeit hat.
Auch in der Außenpolitik wächst der Druck auf den Präsidenten. Der Tod von bis zu 200 Zivilisten bei einem US-Luftangriff in der irakischen Stadt Mossul untergräbt die Glaubwürdigkeit der Supermacht im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS). Erst vor wenigen Tagen hatte Außenminister Rex Tillerson bei einer Konferenz der Anti-IS-Allianz in Washington baldige Stabilisierungsmaßnahmen befreiter Gebiete in Syrien und Irak versprochen, um den Einfluss des IS auf die dortige Bevölkerung zu reduzieren. Jetzt müssen sich die USA dem Vorwurf stellen, unschuldige Frauen und Kinder getötet zu haben.
Der Eindruck einer Führung, die sich über die Folgen ihres Handelns nicht im Klaren ist, bestimmt auch das Bild der Trump-Regierung zu Hause in Washington. Das Scheitern des Versuchs, das Gesundheitssystem Obamacare mit Hilfe der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus abzuschaffen, ist mehr als ein ärgerlicher Betriebsunfall für den 45. US-Präsidenten. Trump will in den kommenden Monaten den Kongress zur Finanzierung mehrerer Großprojekte bewegen, doch die Erfahrung aus der Obamacare-Schlappe sät Zweifel an diesen Vorhaben.
Streit mit dem Kongress ums Geld
Auf Sparsamkeit bedachte Haushaltspolitiker der Republikaner melden schon seit Wochen ihre Bedenken gegen Trumps versprochene Infrastruktur-Initiative zur Modernisierung von Straßen, Brücken und Flughäfen an, die eine Billion Dollar kosten soll. Streit ums Geld droht auch an anderer Stelle. Die neue Schuldenobergrenze der USA wurde Mitte März auf knapp 20 Billionen Dollar festgelegt. Laut Expertenmeinung hat Washington damit genug Geld bis zum Herbst – danach wird es eng für alle Ausgaben. Die Trump-Regierung will beim Kongress eine Anhebung der Obergrenze erreichen, aber diese Frage wird erst im Zuge der anstehenden Haushaltsberatungen geklärt.
Auch der Bau der versprochenen Mauer an der Grenze zu Mexiko ist wegen Finanzierungsfragen ungewiss. Sogar bei der von vielen Republikanern geforderten Steuerreform gibt es Zweifel, weil die Partei trotz ihrer Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses nicht geeint ist.
Frage der Regierungsfähigkeit
Inzwischen stelle sich die Frage nach der Regierungsfähigkeit der Partei, sagte der republikanische Politik-Berater Doug Heye der „Washington Post“. Der wegen des Debakels bei Obamacare schwer angeschlagene Präsident des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, hatte von „Wachstumsschmerzen“ einer Partei gesprochen, die sich in den vergangenen acht Jahren an die Oppositionsrolle gewöhnt habe.
Trump unternimmt nichts, um die Risse in der eigenen Partei zu kitten und die Republikaner mit Blick auf die kommenden Aufgaben zu einen. Auf Twitter attackierte er am Sonntag die rechtskonservativen Mitglieder der Republikaner-Fraktion im Repräsentantenhaus, die Ryans Plan zur Abschaffung von Obamacare abgelehnt hatte. Ein ernsthaftes Zugehen auf die oppositionellen Demokraten mit dem Ziel einer Konsenssuche ist bei Trump ebenfalls nicht erkennbar.
Wenn der Präsident wegen der Entwicklung der vergangenen Tage besorgt ist, dann lässt er es sich nicht anmerken. Er ließ die Amerikaner per Twitter wissen, sie sollten sich keine Sorgen machen, denn nach der erwarteten „Explosion“ von Obamacare werde es ein „großartiges“ neues Gesundheitssystem geben. Wie dieses angesichts der tiefen ideologischen Gräben innerhalb der Republikaner aussehen soll, sagte Trump nicht.
Der frühere Präsidentenberater David Gergen sagte, Trump werde möglicherweise „die schlechtesten ersten hundert Tage aller Präsidenten“ abliefern.