Mit frühmorgendlichen Twitter-Mitteilungen macht Donald Trump häufig seinem Ärger über die Medien oder andere angebliche Widersacher Luft und widerspricht im Eifer des Gefechts hin und wieder seiner eigenen Regierung. Das Ergebnis ist Verwirrung, wie auch beim neuesten Beispiel vom Mittwoch.
Der US-Präsident geißelte auf Twitter einen Bericht des Fernsehsenders NBC über seine bisher unter Verschluss gehaltene Steuererklärung als „Fake News“, obwohl das Weiße Haus die Meldung zuvor bestätigt hatte. „Fake“ oder nicht: Trump kämpft kurz vor dem neu angesetzten Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel an diesem Freitag mit einer ganzen Reihe von Problemen.
Aus zwei Seiten von Trumps Steuererklärung aus dem Jahr 2005, die ein Unbekannter an NBC übermittelte, ergibt sich eine dieser Schwierigkeiten. Die Unterlagen zeigen, dass Trump in dem Jahr beim Finanzamt rund 100 Millionen Dollar an Verlusten geltend machte, ein Netto-Einkommen von mehr als 150 Millionen Dollar meldete und 38 Millionen Dollar Steuern zahlte. Anhänger des Präsidenten betonten, die Zahlen widerlegten die Theorie vom Steuersünder Trump.
Dennoch sind die Zahlen aus zwei Gründen potenziell peinlich für Trump. Erstens will er eigentlich seine gesamten Steuerzahlungen unter Verschluss halten; Kritiker vermuten, dass er den Amerikanern entweder Geschäftsverbindungen zu Russland oder das Ausmaß seiner Steuervermeidung verheimlichen will. Zweitens zeigte die Aufstellung, dass ein Großteil von Trumps Zahlungen – 31 Millionen Dollar – aus einer Mindeststeuer für Superreiche stammt, die er jetzt als Präsident abschaffen will. Ohne diese Mindeststeuer hätte Trump nur sieben Millionen zahlen müssen, rechnete die „New York Times“ ihren Lesern vor. Das zeige, dass Trump derzeit Steuergeschenke für die Multimillionäre anstrebe und nicht die Mittelschicht entlasten wolle, sagte die Steuerrechts-Professorin Lily Batchelder dem Blatt. Noch bevor NBC am Dienstagabend über die Steuer-Enthüllung berichtete, schaltete sich das Weiße Haus ein und ließ erklären, Trump habe im Jahr 2005 auch noch eine ganze Menge an anderen Steuern bezahlt. Zudem warf die Regierung dem Fernsehsender vor, die Einschaltquoten mit Hilfe von mehr als zehn Jahre alten Dokumenten steigern zu wollen. Das war eine indirekte Bestätigung für die Meldung von NBC.
Der Fernsehbericht platzte mitten in die Bemühungen Trumps, eine wachsende Schar von Kritikern in der eigenen republikanischen Partei und in der amerikanischen Öffentlichkeit von den Vorzügen einer geplanten Gesundheitsreform zu überzeugen. Der Plan des Präsidenten des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, soll das Gesundheitspaket von Barack Obama ersetzen. Unter Obamacare waren zwar 20 Millionen zuvor unversicherte Amerikaner in den Genuss eines Versicherungsschutzes gekommen, doch Trump und die Republikaner lehnen das System als zu teuer ab.
Das Problem ist nur, dass Ryans Plan nach Berechnungen des überparteilichen Haushaltsbüros des Kongresses im Laufe von zehn Jahren rund 24 Millionen Bürger aus der Krankenversicherung verstoßen würde. Widerstand gegen Ryans Modell kommt nicht nur von moderaten Republikanern, die schlimme Folgen für ärmere Amerikaner befürchten, sondern auch von Hardlinern, denen Ryans staatliche Hilfen noch viel zu weit gehen. Da die oppositionellen Demokraten Ryans Plan ohnehin ablehnen, könnte das Projekt trotz Mehrheiten der Republikaner in beiden Häusern des Kongresses scheitern. Trump steht vor der Frage, wie er sein Wahlkampfversprechen einer Abschaffung von Obamacare mit der Tatsache in Einklang bringen kann, dass sich viele seiner Wähler ohne Obamacare keine Krankenversicherung leisten könnten.
Das Thema ist eines der Politikfelder, auf denen die rechtspopulistische Rhetorik des Wahlkämpfers Trump mit der komplexen politischen Realität des Präsidenten Trump kollidiert.
Die Einwanderungspolitik ist ein anderes Beispiel dafür. Nachdem die Gerichte Trumps ersten Einreisestopp für Menschen aus muslimischen Staaten kassiert hatten, stellte die Regierung vergangene Woche eine neue Version vor, die an diesem Donnerstag in Kraft treten soll.
Das überarbeitete Präsidialdekret enthält mehr Ausnahmen; zudem wurde der Irak von der schwarzen Liste betroffener Staaten gestrichen. Von einem generellen Einreiseverbot für Muslime, wie es Trump im Wahlkampf forderte, ist die Anordnung weit entfernt. Dennoch ist unsicher, ob sie vor der Justiz bestehen kann.
Mehrere Bundesstaaten haben Klagen gegen den neuen „Muslim-Bann“ eingereicht, der nach ihrer Ansicht wie die erste Fassung diskriminierend ist und wirtschaftliche Schäden sowie nicht hinnehmbares persönliches Leid verursachen würde. Eine erste Gerichtsverhandlung war für Mittwoch (20.30 Uhr MEZ) auf Hawaii angesetzt.
Wenn Merkel am Freitag zu ihrem – Anfang der Woche wegen eines Schneesturms verschobenen – Besuch im Weißen Haus eintrifft, wird ihr Gastgeber möglicherweise ganz andere Dinge im Kopf haben als die deutsch-amerikanischen Beziehungen.