Es sollte eine Woche der schönen Bilder und starken Botschaften sechs Wochen vor den wichtigen Kongresswahlen werden: der Präsident vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen, der Präsident beim Speed-Dating mit Regierungschefs aus aller Welt, der Präsident als Leiter des Weltsicherheitsrats. Doch als Donald Trump am Montagmorgen durch die Innenstadt von Manhattan zu seinem ersten Termin brauste, winkten ihm nur wenige Passanten zu, und die Morgenzeitungen und Frühstücksfernsehmagazine wurden von einem ganz anderen Thema beherrscht – dem drohenden Debakel bei der hochbrisanten Neubesetzung des Obersten Gerichtshofes der USA.
Seit eine kalifornische Psychologieprofessorin Trumps erzkonservativem Kandidaten Brett Kavanaugh vorgeworfen hat, sie zu High-School-Zeiten sexuell genötigt zu haben, ist der Nominierungsprozess im Senat ins Schleudern geraten. Doch nun erhebt mindestens eine weitere Frau Anschuldigungen gegen den Richter, der jedes Fehlverhalten bestreitet. Zwar wettert Trumps Beraterin Kellyanne Conway gegen eine „große linke Verschwörungsaktion“. Doch die Glaubwürdigkeit des Kandidaten hat laut Umfragen schwer gelitten, die parlamentarische Bestätigung nimmt chaotische Züge an, und die Republikaner geraten immer mehr unter Druck.
Ähnlich wie Christine Blasey Ford, die Kavanaugh in der vorigen Woche einer versuchten Vergewaltigung im alkoholisierten Zustand auf einer privaten Schulparty im Sommer 1982 bezichtigt hatte, zögerte auch Deborah Ramirez lange, mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen.
„Es war mir peinlich, ich habe mich geschämt und gedemütigt gefühlt“, sagte die heute 53-Jährige dem Magazin „New Yorker“. Auch gestand sie nach mehr als drei Jahrzehnten deutliche Erinnerungslücken ein. Sie sei sich aber der zentralen Vorfälle sicher und fühle sich durch die Me-too-Bewegung gestärkt, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Laut Ramirez hat ihr der damals 18-jährige Kavanaugh 1983 bei einer studentischen Sauf-Party an der Elite-Universität Yale plötzlich seinen Penis vors Gesicht gestreckt.
Der Richter wies auch diesen Vorwurf postwendend zurück: „Der angebliche Vorfall hat nie stattgefunden.“ Doch meldete sich kurz darauf der prominente Anwalt Michael Avenatti bei Twitter zu Wort und erklärte, er vertrete eine weitere Frau „mit glaubwürdigen Informationen“. Andererseits hat die „New York Times“ zahlreiche ehemalige Mitschüler und Kommilitonen abtelefoniert. Niemand kann sich an ähnliche Vorfälle erinnern.
Trotzdem bekommt das Image des konservativen Vorzeigejuristen zunehmend Risse. Sein Schulfreund Mike Judge, der bei der versuchten Vergewaltigung anwesend gewesen sin soll, hatte behauptet, er könne sich an nichts erinnern. Nun erklärt eine Ex-Freundin von Judge, er habe ihr von Sex-Partys berichtet. Auch schrieb Judge später ein Bekenntnisbuch über seine Alkoholsucht. Einer der Akteure, der dem Alkohol ebenfalls heftig zuspricht, heißt „Bart O?Kavanaugh“.
Die Personalie ist hoch politisch, denn mit der lebenslangen Berufung von Kavanaugh wäre die konservative Mehrheit am Supreme Court voraussichtlich auf Jahrzehnte gesichert. Das war eines der zentralen Wahlversprechen von Trump gewesen. Seine evangelikalen Anhänger machen entsprechenden Druck. Sie hoffen, dass der reaktionär-katholische Kavanaugh die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs rückgängig machen könnte.