Der exzentrischste Bewerber im Rennen um die nächste US-Präsidentschaft legt eine Gangart zu: Donald Trump fordert jetzt eine „komplette und totale Grenzschließung für Muslime, die in die Vereinigten Staaten einreisen“. Von einem ausrangierten Kriegsschiff aus versprach er seinen Anhängern außerdem, sie vor Diskriminierungsvorwürfen zu schützen, wenn sie Menschen aufgrund ihrer Religion oder Erscheinung verdächtigten. Selbst Trumps konservative Rivalen sind entsetzt.
Der Immobilien-Milliardär veröffentlichte seine Forderung wenige Stunden, nachdem eine Umfrage in Iowa erstmals den texanischen Senator Ted Cruz unter den republikanischen Bewerbern in Führung gesehen hatte. Iowa beginnt am 1. Februar als erster Bundesstaat mit den parteiinternen Vorwahlen.
Die Schlagzeilen beherrscht allerdings nach wie vor ein anderer: Donald Trump. Zum Beispiel indem er behauptet, nach dem Fall des World Trade Centers im Jahr 2001 hätten Tausende von Muslimen in New Jersey auf den Straßen gejubelt; es gibt dafür keine Belege.
Nach dem Amoklauf im kalifornischen San Bernardino erklärte er nun, es gebe „in großen Teilen der muslimischen Bevölkerung“ enormen Hass gegen Amerikaner. Sein Reisebann soll deshalb gelten, „bis die Verantwortlichen unseres Landes herausgefunden haben, was vor sich geht“.
In einem Interview rüstete Trump anschließend zumindest ein bisschen verbal ab: Muslimische US-Soldaten dürften selbstverständlich in ihre Heimat zurückkehren, sagte er. Außerdem schränkte der 69-Jährige ein, seine Forderung richte sich nicht gegen im Land lebende Glaubensangehörige. Syed Rizwan F., der vergangene Woche zusammen mit seiner Frau in San Bernardino 14 Menschen getötet hatte, war gebürtiger Amerikaner.
Von seinen Anhängern erhielt Trump Ovationen, Zuhörer riefen „Schickt sie alle heim“. Seine Partei distanzierte sich aber so klar wie noch nie. Der oberste Republikaner im Kongress, Repräsentantenhaussprecher Paul Ryan, sagte, Religionsfreiheit sei ein von der Verfassung geschütztes Gründungsprinzip der Vereinigten Staaten. Trumps Vorschlag habe weder mit den Werten der Partei noch mit jenen der USA etwas zu tun. Konservative Präsidentschaftskandidaten äußerten sich ähnlich.
Senator Ted Cruz und Neurochirurg Ben Carson, die beide im selben erzkonservativen Lager fischen wie Trump, sagten zwar nur, sie teilten dessen Ansichten nicht. Der ehemalige Gouverneur Floridas, Jeb Bush, erklärte Trump aber für „verrückt“. Und die Regierungschefs von New Jersey und Ohio, Chris Christie und John Kasich, nannten seine Vorschläge „irrwitzig“ und „empörend“. Auch die anderen Konkurrenten sind alarmiert. Die frühere Hewlett-Packard-Chefin Carly Fiorina und Senator Lindsey Graham brandmarkten Trumps Forderung als gefährlich; Senator Marco Rubio sprach von einer „Vorliebe für beleidigende und haarsträubende Kommentare“. Rubio hatte allerdings noch am Sonntag selbst eine nationale TV-Ansprache von Präsident Barack Obama mit der Frage kritisiert, wo im Land es denn bitte eine verbreitete Diskriminierung von Muslimen gebe.
Obama ist nicht der Einzige, der vor einer solchen Tendenz warnt; Justizministerin Loretta Lynch ist in Sorge. Es geht schließlich nicht nur um die Verfassung, die den Schutz des Glaubens garantiert. Experten warnen auch davor, einen Keil in die Gesellschaft zu treiben, der weitere Dschihadisten „produziert“ und die Zusammenarbeit mit der friedlichen Mehrheit amerikanischer Muslime erschwert. „Wir sollten es schwerer machen, dies als Krieg zwischen Amerika und dem Islam darzustellen, nicht einfacher“, sagte Obamas Sicherheitsberater Ben Rhodes. Heimatschutzminister Jeh Johnson erklärte, es sei kontraproduktiv und unamerikanisch, muslimische Mitbürger zu verteufeln.
Der Rat für Amerikanisch-Islamische Beziehungen warnt, es gebe eine „giftige, anti-muslimische Atmosphäre“ im Land, von der Trump profitieren könne.