Die entscheidende Nachricht überbringt der älteste Sohn des Kandidaten persönlich: Die Delegation der Stimmberechtigten aus New York wird bei der alphabetischen Auswertung der Bundesstaaten so lange ausgespart, bis die magische Grenze in Sichtweite ist. Dann schieben 89 Voten aus Trumps Heimat den Kandidaten über die Marke jener 1237 Stimmen, die er zur Nominierung braucht. „Glückwunsch, Dad!“, ruft Donald jr. „Wir lieben dich!“ Neben ihm lachen zu Bildschirmfeuerwerk und „New York, New York“-Klängen die drei anderen erwachsenen Kinder Ivanka, Eric und Tiffany. „Das hier ist keine Kampagne mehr“, sagt Donald jr. „Es ist eine Bewegung.“
Nach 56 Vorwahlen und Hunderten Millionen Dollar an Wahlkampfkosten haben die Republikaner ihren Kandidaten. Ein bisschen Widerstand gibt es noch: Drei Bundesstaaten und die Hauptstadt Washington haben mitansehen müssen, wie die Parteitagsleitung ihre Voten ignorierte und die Vorwahl-Stimmen für andere Kandidaten kommentarlos auf Trump übertrug. Die Delegation aus Alaska ficht das Ergebnis sogar an: „Ihr habt uns nie gesagt, dass ihr die Regeln geändert habt!“, beschwert sich der Delegationsführer.
Einzelne Proteste
Kurzfristig flammen Proteste auf, auch andere fühlen sich schikaniert. Doch die Leitung erklärt die Situation der vier Staaten unter Verweis auf die Regularien zum Sonderfall. Die Stimmenzahlen der Unterlegenen aus anderen Regionen sind umstandslos vorgetragen worden; Parteichef Reince Priebus weist darauf hin, dass das bei früheren Parteitagen nicht üblich gewesen sei. Die Nominierung von Indianas Gouverneur Mike Pence zum Vizekandidaten geht glatt über die Bühne. Und letztlich spielt der Protest keine Rolle: Trump hatte so oder so eine Mehrheit. Das wissen auch die bisherigen Granden der Partei, die hier ein eigenartiges Schauspiel liefern. Schon am Vortag hat der ehemalige texanische Gouverneur Rick Perry auf dem Podium ein Loblied auf Donald Trump angestimmt, denselben Mann, den er im Frühjahr noch als „Krebsgeschwür auf dem Konservatismus“ bezeichnet hatte.
Attacken gegen Clinton
Nun folgen viele andere, die Trump bislang für untragbar erklärten, von ihm gedemütigt wurden oder das in der Hoffnung auf den Posten als Vizekandidat gleich selbst erledigt haben. Andere flüchten sich in Attacken gegen die mutmaßliche demokratische Kandidatin Hillary Clinton und vermeiden persönliche Bekenntnisse zum eigenen Bewerber.
Der wichtigste Republikaner im Kongress, Repräsentantenhaussprecher Paul Ryan, begrüßt die „Partei Lincolns“ und quält die gelangweilten Delegierten mit der Bedeutung der republikanischen Grundsätze, die Trump so gern ignoriert. Dessen Wahlkampfmanager Paul Manafort kontert später: „Die Agenda der Partei ist jetzt die Agenda von Trump.“ In der Halle will New Jerseys Gouverneur Chris Christie erneut über Clinton reden, doch ihm fallen die Delegierten sogar mit Sprechchören ins Wort: „Donald Trump! Donald Trump!“ Es ist klar, dass die meisten im Saal keine Lust mehr auf das Profi-Establishment haben. Wachwechsel ist die Botschaft von Trump.
Per Bildschirm erscheint Trump selbst vor den Delegierten: „Zu sehen, wie meine Kinder mich über die Stimmengrenze gebracht haben, war etwas, das ich nie vergessen werde“, fasst er das Ereignis zusammen. In der Tat, so viel Familie war nie auf einem Parteitag.