Einige Tage nachdem US-Präsident Donald Trump den INF-Vertrag mit Russland über wichtige Fragen der Abrüstung in Frage gestellt hatte, sind die Reaktionen in den USA bemerkenswert verhalten. Keine große Zeitung bringt das Thema auf ihren Titelseiten, und massiver Protest gegen die Gefahr eines neuen Wettrüstens ist auch nicht zu hören.
Das mag an der komplexen Materie des INF-Vertrages aus dem Jahre 1987 liegen oder daran, dass die USA von der Stationierung neuer Mittelstreckenraketen nicht betroffen wären. Auch hoffen einige Politiker darauf, dass der selbsternannte Dealmaker Trump nur eine Absicht geäußert habe. „Das könnte auch eine Art Wegbereiter sein, um die Russen wieder zur Vertragstreue zu bringen“, sagte der republikanische Senator Bob Corker, der den Auswärtigen Ausschuss des Senats leitet.
Warnungen aus der US-Politik
Zu derlei Optimismus gibt es freilich wenig Anlass. So hegt Trumps Sicherheitsberater John Bolton gegenüber jeglicher Rüstungskontrolle schwerste Vorbehalte. Entsprechend negativ sieht er das INF-Abkommen, das den USA und der Sowjetunion den Bau und den Besitz landgestützter, atomar bewaffneter Marschflugkörper und Raketen mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern verbietet. Dadurch gerieten die USA gegenüber China, Indien, Pakistan oder dem Iran militärisch ins Hintertreffen, lautet ein Argument des Hardliners.
Ein weiteres Argument hat mutmaßlich Moskau selbst geliefert. Schon im Sommer 2014 zeigte die Obama-Regierung einen russischen Vertragsverstoß an: Angeblich wurden zwei russische Bataillone mit 48 neuen Marschflugkörpern, die eine Reichweite von 2600 Kilometern haben, bestückt. Moskau moniert umgekehrt, die Abschussrampen für den Nato-Raketenschirm in Rumänien könnten auch atomar genutzt werden.
Zwar kommen aus dem Senat nun auch warnende Mahnungen. „Ich hoffe, dass wir Wege finden, wie wir in dem Abkommen bleiben können“, sagte Corker. Der republikanische Senator Rand Paul warnte: „Es wäre ein großer Fehler, leichtfertig von diesem historischen Abkommen zurückzutreten.“ Doch dass diese moderaten Stimmen im Weißen Haus gehört werden, erscheint unwahrscheinlich. So hatte Trump auch trotz ähnlicher Warnungen das Iran-Abkommen gekündigt. Ihm ist die kurzfristige Wirkung bei seiner Basis wichtiger als die langfristigen geopolitischen Folgen.
Tatsächlich könnte ein Ausscheiden aus dem INF-Vertrag nach Meinung von Steven Pifer, dem Experten der liberalen Denkfabrik Brookings, zum Bumerang werden: Weil die Belege für die russischen Verstöße geheim gehalten werden, würden „die USA für den Bruch der Vereinbarung verantwortlich gemacht“ werden, warnt er. Außerdem hätte Moskau dann keinen Grund mehr, sich bei der Stationierung neuer Mittelstreckenwaffen zurückzuhalten. Washington könne aber so schnell nicht kontern, weil es solche Systeme derzeit nicht besitze.
Nach dem angekündigten Ausstieg der USA aus einem wichtigen Abrüstungsabkommen hat Sicherheitsberater Bolton mit seinem russischen Kollegen Nikolai Patruschew in Moskau gesprochen. Details waren zunächst nicht bekannt. Sie sollen aber in erster Linie über den Rückzug aus dem sogenannten INF-Vertrag diskutiert haben, teilte die US-Botschaft am Montag auf Twitter mit. Weitere Themen sollen demnach der Bürgerkrieg in Syrien, die Beziehungen zum Iran und Nordkorea gewesen sein.
Ein Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow war ebenfalls geplant. Ob Bolton bei dem zweitägigen Besuch auch mit Präsident Wladimir Putin spricht, blieb zunächst unklar. Der Kreml hatte zuvor angekündigt, von Bolton ausführliche Erklärungen zu dem Rückzug einzufordern.