Bei der Volksabstimmung am Sonntag folgten die Griechinnen und Griechen mehrheitlich dem Appell der Regierung, die letzten Vorschläge der Gläubiger zurückzuweisen. 9,8 Millionen Wähler waren aufgerufen, über Annahme oder Ablehnung weiterer Sparmaßnahmen und Reformen zu entscheiden, die Voraussetzung für neue Hilfskredite sind. Die Wahlbeteiligung lag nach ersten Hochrechnungen bei 55 Prozent.
Die Abstimmung galt als Weichenstellung für die Zukunft Griechenlands in Europa. Ministerpräsident Alexis Tsipras, der das Referendum erst eine Woche zuvor überraschend angesetzt hatte, fordert die Wähler zu einem Nein auf, weil er sich davon eine Stärkung seiner Verhandlungsposition gegenüber den Geldgebern verspricht. Er rechne bei einem Nein mit einer Einigung mit den Geldgebern innerhalb von 48 Stunden, hatte Tsipras vor der Abstimmung erklärt.
Der Premier bezeichnete bei der Stimmabgabe im Athener Stadtteil Kypseli das Referendum als „Sieg der Demokratie über die Angst“. Man könne den Willen einer Regierung ignorieren, nicht aber den eines Volkes, sagte der Premier. Kritiker der radikal-linken Regierung fürchten, das Nein könne den Abschied Griechenlands vom Euro und letztlich von der Europäischen Union bedeuten.
Kompliziert und irreführend
Das oberste griechische Verwaltungsgericht hatte am Freitagabend grünes Licht für die Abstimmung gegeben und die Beschwerden zweiter Bürger zurückgewiesen, die das Referendum für verfassungswidrig hielten. Es blieben aber Merkwürdigkeiten. Staatsrechtler kritisieren die Fragestellung der Volksabstimmung als kompliziert und irreführend. Die wenigsten Wähler dürften die 34 Seiten umfassenden Papiere, um deren Annahme oder Ablehnung es geht, gelesen und verstanden haben. Das war aber eigentlich auch egal, denn dieser Vorschlag der Gläubiger ist vom Tisch, seit das Griechenland-Rettungsprogramm am vergangenen Dienstag ersatzlos auslief und die noch verfügbaren Hilfsgelder verfielen. Tsipras ließ die Griechen also über etwas abstimmen, das gar nicht mehr zur Diskussion steht.
Der Premier hatte am Freitagabend bei einer Kundgebung vor etwa 30 000 Menschen auf dem Athener Syntagmaplatz für eine Ablehnung der Sparauflagen geworben. Es gehe bei der Abstimmung um die Frage, „ob wir mit Würde in Europa bleiben“, sagte Tsipras. Zur gleichen Zeit versammelten sich etwa 20 000 Anhänger eines Ja vor dem alten Athener Olympiastadion. Redner der Kundgebung appellierten, auf die Vorschläge der Geldgeber einzugehen, um eine drohende Staatspleite abzuwenden.
Die Kontroverse um die Volksabstimmung hat das Land tief gespalten. Viele Wähler waren hin- und hergerissen. „Ich wähle schweren Herzens“, sagte der 42-jährigen Vyron Balafas, der im Athener Stadtteil Ilioupolis zur Abstimmung ging. „Einerseits will ich die Zukunft meines Landes im Euro und in Europa sichern, andererseits erstickt der Sparkurs unser Land.“ Balafas wollte sich erst in der Wahlkabine entscheiden, wo er sein Kreuz macht: „Mein Verstand sagt Ja, mein Herz sagt Nein.“
Gedränge in den Supermärkte
Nicht nur vor den Wahllokalen standen die Wähler an. Lange Schlangen bildeten sich am Sonntag, wie schon an den Vortagen, auch vor den Geldautomaten. Die Menschen wollten ihre Tagesration von 60 Euro abheben, den Höchstbetrag, seit die Regierung am Montag die Schließung der Bankfilialen anordnete und Kapitalkontrollen einführte. Riesiges Gedränge herrschte auch in den Supermärkten. Die Menschen deckten sich mit Vorräten ein. Mehl, Reis, Nudeln und Hülsenfrüchte waren vielerorts ausverkauft. Auch die Regale mit H-Milch und Konserven waren in vielen Geschäften leer. Selbst Toilettenpapier ging zur Neige.
Das sind die nächsten Termine
7. Juli: Frühestens am Dienstag könnten Griechenlands Banken und die Börse in Athen wieder öffnen.
10. Juli: Griechische Staatspapiere mit kurzen Laufzeiten in Höhe von zwei Milliarden Euro werden fällig und müssten durch neue abgelöst werden. Dieser Termin ist vor allem für das Urteil der Ratingagenturen wichtig.
13. Juli: Athen muss eine weitere Rate von knapp 500 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen.
17. Juli: Weitere T-Bills in Höhe von einer Milliarde Euro werden fällig.
20. Juli: Athen muss insgesamt rund 3,5 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzahlen. Sollte diese Zahlung ausfallen, dürfte es der EZB laut Experten kaum noch möglich sein, weiter bestimmte Kredite (Ela-Kredite) an griechische Banken zu vergeben. Text: Dpa