Die Kampfansage ist eindeutig: Tot oder lebendig soll die britische Spezialeinheit SAS den Mann der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) mit dem Londoner Akzent und dem Spitznamen „Dschihadi John“ stellen. Das berichtete die „Sunday Times“. Er gilt als der mutmaßliche Mörder von bereits vier westlichen Geiseln. Am späten Freitagabend wurde das jüngste Video veröffentlicht, das die Enthauptung des britischen Hilfsmitarbeiters Alan Henning zeigen soll. Das Königreich reagierte schockiert.
Premierminister David Cameron, der sich am Wochenende mit Verantwortlichen britischer Geheimdienste, Armeeoffizieren und Vertretern des Außenministeriums traf, kündigte Vergeltung an. „Wir werden alles tun, um diese Mörder zu jagen und zur Rechenschaft zu ziehen.“ Jeder, der Zweifel über diese Organisation habe, könne nun sehen, „wie abscheulich und barbarisch“ sie sei.
Der Schwager des Opfers kritisierte die Regierung scharf und zeigte sich „wütend“ gegenüber Westminster. „Sie hätten mehr tun können, als sie vor Monaten davon erfahren haben“, sagte Colin Livesey. Die Witwe des Ermordeten gab in einem Statement zu, die Familie sei „betäubt vor Trauer“.
Kurz nach Auftauchen des Videos verurteilten britische Verbände von Muslimen das Vorgehen der IS. Viele hätten gehofft, dass Henning am Freitag, dem Vorabend des höchsten islamischen Opferfests Eid al-Adha, frei kommen würde. „Wenn IS wirklich den Propagandakrieg gewinnen wollte, hätten sie Alan frei gelassen“, sagte Harun Khan, stellvertretender Geschäftsführer des „Rats der Britischen Muslime“, der mehr als 500 Organisationen vertritt. „Sie sind nicht wirklich muslimisch: Keiner erkennt sie an und sie nehmen die Religion als Geisel.“
Bereits vor einigen Wochen haben sich mehr als 100 muslimische Verantwortliche in einem beispiellosen Aufruf an den IS gewandt und die Freilassung von Henning gefordert. Die Sorge im Königreich angesichts der großen Zahl britischer Kämpfer im Ausland wächst zunehmend. Mehr als 500 Briten sollen nach Syrien oder in den Irak ausgereist sein, fast täglich berichten Medien von neuen Dschihadisten, die sich dem IS angeschlossen haben.
Alan Henning wollte helfen
Alan Henning war bereits seit mehr als neun Monaten in der Gewalt der Terroristen. Nachdem er im vergangenen Jahr das Leid der Kinder im Bürgerkriegsland Syrien im Fernsehen sah, ließ sich der verheiratete Taxifahrer aus der Nähe von Manchester, der mit seiner Frau zwei Kinder im Teenageralter hat, beurlauben und reiste in die Türkei, um zu helfen, Vans voller medizinischer Versorgungsgüter, Kleidung und Lebensmittel über die Grenze nach Syrien zu schaffen. Doch am zweiten Weihnachtsfeiertag 2013 kamen er und seine Kollegen nicht weit.
Bereits nach einer halben Stunde Fahrt wurde der Hilfskonvoi von den Islamisten gestoppt, die Insassen verschleppt. Wenige Minuten zuvor hatte Henning noch in eine Videokamera gesprochen und erklärt, dass jegliche Opfer, die von Hilfsmitarbeitern wie ihm gebracht würden, „nichts“ seien im Vergleich zu dem, was die Menschen in Syrien jeden Tag durchmachten.
Während die anderen Entführten, britische Muslime, schnell wieder freigelassen wurden, blieb Henning in der Gewalt der Radikalen. Am späten Freitagabend wurde das Video veröffentlicht, das ihn knieend in orangefarbener Häftlingskleidung in der Wüste zeigt. Der mutmaßliche Mörder steht neben dem 47-Jährigen und wendet sich direkt an Cameron: „Das Blut von David Haines war an deinen Händen, Cameron. Alan Henning wird ebenfalls geschlachtet, aber sein Blut klebt an den Händen des britischen Parlaments.“ Am 27. September hatten die Abgeordneten des Unterhauses beschlossen, sich an den Luftschlägen gegen die Terroristen im Irak zu beteiligen, in den vergangenen Tagen wurden erste Ziele angegriffen.