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RIAD
Tragödie in Mekka: Wahrscheinlich mehr als 2100 Tote
Bodies of Iranian pilgrim arrive in Tehran       -  Ankunft im Iran: Das Archivfoto zeigt Soldaten mit Särgen der iranischen Opfer auf dem Flughafen von Teheran. Nach iranischen Angaben wurden 464 Bürger des Landes bei der Katastrophe in der Nähe von Mekka getötet.
Foto: Abedin Taherkenareh, dpa | Ankunft im Iran: Das Archivfoto zeigt Soldaten mit Särgen der iranischen Opfer auf dem Flughafen von Teheran. Nach iranischen Angaben wurden 464 Bürger des Landes bei der Katastrophe in der Nähe von Mekka getötet.
Martin Gehlen
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:00 Uhr

Die Mitteilung war so nichtssagend wie üblich. Kronprinz Mohammed bin Nayef habe die Untersuchungskommission angewiesen, „mit ihren Anstrengungen fortzufahren, um die Ursachen des Unglücks zu ermitteln“, schrieb die staatliche Nachrichtenagentur. Vier Wochen nach der Hadsch-Katastrophe gerät Saudi-Arabien immer mehr unter Druck. Weltweit machen Meldungen die Runde, die Massenpanik in Mina habe dreimal mehr Menschenleben gekostet, als Riad mit 769 Toten bisher einräumte.

Das Unglück am 24. September wäre damit das schlimmste Mekka-Desaster aller Zeiten. So belegt die neueste Addition der ausländischen Opfer durch die Nachrichtenagentur AP, dass bislang 2177 identifiziert wurden. Hunderte werden noch vermisst. Die Webseite Middle East Eye hatte zuvor in der Notfallklinik von Mekka ausgehängte Suchfotos dokumentiert, deren Nummerierung bei 2253 endete. Auf der Webseite des Gesundheitsministeriums war am 29. September für wenige Minuten sogar von 4173 Toten die Rede gewesen, bevor der Eintrag rasch wieder verschwand. Aktivisten gelang es, einen Screenshot zu machen. Vizegesundheitsminister Mohamed Aldowale habe ein Buch mit 4173 Fotos erhalten von Pilgern, die ums Leben kamen, hieß es in dem gelöschten Text.

„Die ursprüngliche Statistik ging von 769 Toten aus, die endgültige Zahl jedoch ist auf 4173 gestiegen, nachdem das Ministerium weitere Leichen erhalten hat.“

Trotzdem hüllen sich die Saudis eisern in Schweigen, das Gesundheitsministerium verweigert jede Stellungnahme zu seinem mysteriösen Webeintrag. Auch die Forderung des Erzrivalen Iran wurde brüsk abgelehnt, ausländische Experten hinzuzuziehen. Die rein saudische Ermittlungskommission jedoch steht möglicherweise vor der unlösbaren Aufgabe, die Ursachen der Hadsch-Tragödie korrekt zu benennen, ohne gleichzeitig die eigene Staatsspitze zu blamieren.

Denn bereits 24 Stunden nach dem Unglück berichteten zahlreiche Medien, zwei Zugänge zu der Jamarat-Brücke seien wegen eines VIP-Konvois gesperrt gewesen. Das hätte den Rückstau und damit die Katastrophe ausgelöst. Nach Angaben der libanesischen Zeitung „Al-Diyar“ saß in dem Autokorso Vizekronprinz Mohammed bin Salman, eskortiert von 150 Polizisten und 200 Soldaten. Nach dem Unglück sei die Wagenkolonne des jungen Verteidigungsministers sofort davongerast, das ganze Areal wurde für Presse und Fernsehen gesperrt, um die Rolle des Thronfolgers zu verschleiern.

Das saudische Innenministerium räumte später ein, dass ein VIP-Konvoi zur Unglückszeit vor Ort war, wies jedoch den heiklen Zeitungsbericht als „inkorrekt“ zurück. Stattdessen machte Gesundheitsminister Khaled al-Falih die Beter selbst für die Tragödie verantwortlich. „Wären die Pilger den Anweisungen gefolgt, hätte dieser Unfall vermieden werden können“, erklärte er.

Falls jedoch dieses VIP-Gebaren die Ursache der Katastrophe ist, stünde mit einem Schlag die gesamte Führungsspitze Saudi-Arabiens am Pranger: König Salman, der nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte sein soll, Kronprinz Mohammed bin Nayef als Innenminister und Hauptverantwortlicher für die Hadsch-Sicherheit sowie Vizekronprinz Mohammed bin Salman als möglicher Verursacher. Kein Wunder, dass mittlerweile Unruhe und Nervosität im Königshaus Al-Saud so hochkochen, dass sie erstmals seit den schweren Machtkämpfen in den 60er Jahren wieder nach außen dringen. Vier Briefe kursieren in den Reihen der Öl-Prinzen, die eine Abdankung der gesamten Staatsspitze fordern. „Wir geraten immer näher an einen Zusammenbruch des Staates und einen Verlust unserer Macht“, deklamiert einer der Rebellentexte.

 
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