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KAIRO
Träume auf Wüstensand
Hoch hinaus: Teilnehmer der Investorenkonferenz im ägyptischen Badeort Sharm el-Sheikh fotografieren das Modell der geplanten neuen ägyptischen Hauptstadt. Sie soll 76 Milliarden Euro kosten.
Foto: Khaled desouki, afp | Hoch hinaus: Teilnehmer der Investorenkonferenz im ägyptischen Badeort Sharm el-Sheikh fotografieren das Modell der geplanten neuen ägyptischen Hauptstadt. Sie soll 76 Milliarden Euro kosten.
reda
 |  aktualisiert: 15.03.2015 17:44 Uhr

Auf allen Fotos sieht man Präsident Abdel Fattah al-Sisi zufrieden lächeln. Aus ägyptischer Sicht war die dreitägige Investitionskonferenz im Badeort Sharm el-Sheikh ein großer Erfolg. Der starke Mann am Nil hat anderthalb Jahre nach dem Umsturz durch die Armee sein Land wieder auf die internationale politische und ökonomische Bühne zurückgeführt.

Trotz der harten Unterdrückung im Inneren, der steigenden Zahl von Bombenanschlägen und der wachsenden Terrorgefahr. Mindestens 40 Milliarden Euro wurden von den angereisten Staats- und Konzernchefs für die kommenden Jahre zugesagt.

Die meisten Vorhaben sind im Öl- und Gassektor, in der Stromerzeugung sowie in der Immobilienbranche. Dagegen mangelt es an Investitionen in Industrie, Produktion und Landwirtschaft, die die meisten Arbeitsplätze schaffen und der breiten Bevölkerung zugutekommen. IWF-Chefin Christine Lagarde dämpfte daher die Euphorie der am Roten Meer versammelten ägyptischen Machtelite und warnte, Wirtschaftswachstum müsse inklusiv sein als auch bei Frauen und jungen Leuten ankommen.

„Hochgesteckte Ziele lassen sich nicht durch Wunschdenken, sondern nur durch harte Arbeit und Ausdauer erreichen“, zitierte sie die populäre ägyptische Musikikone Umm Kulthum. Aus Deutschland angereist war Sigmar Gabriel.

Der Wirtschaftsminister überbrachte Sisi die lang ersehnte Einladung von Kanzlerin Angela Merkel zu einem Staatsbesuch in Berlin. Damit rückt die Bundesregierung von ihrer bisherigen Linie ab, den Ex-Feldmarschall erst nach der Wahl eines neuen Parlamentes zu empfangen. Das für Ende März geplante Votum am Nil musste kürzlich auf den Herbst verschoben werden, weil das Verfassungsgericht Teile des von Sisi dekretierten Wahlgesetzes annullierte. Zu Gabriels Delegation gehörte auch Siemens-Chef Joe Kaeser, dessen Konzern den Bau eines Gas- und Dampfturbinenkraftwerks sowie mehrerer Windkraftanlagen vereinbarte.

Ihre 90 Millionen Landsleute überraschte die ägyptische Führung in Sharm el-Sheikh mit dem glitzernden Großmodell einer neuen Hauptstadt, die in den nächsten fünf bis sieben Jahren in der Wüste östlich von Kairo entstehen soll. Federführend ist der Investmentkonzern Capital City Partners aus Dubai, der am Golf mit dem Burj Khalifa das bisher höchste Gebäude der Welt errichtete. Nach Angaben des ägyptischen Bauministers Mostafa Madbouly belaufen sich die Kosten allein für die erste Phase bis 2022 auf 40 Milliarden Euro, über deren Finanzierung er sich allerdings ausschwieg. Präsidentenpalast, Ministerien, Verwaltungsgebäude, Börse und Banken sowie ausländische Botschaften sollen in die neue Retortenstadt umziehen, die laut Modell eine Skyline mit Wolkenkratzern wie die Metropolen am Golf bekommen wird. Fünf Millionen Menschen sollen hier einmal auf 700 Quadratkilometern wohnen, einem Stadtgebiet fast so groß wie Berlin.

Denn die bisherige Metropole Kairo mit ihren 20 Millionen Menschen platzt aus allen Nähten. Ihre Infrastruktur ist extrem zerrüttet, die Müllabfuhr eine Katastrophe, viele Brücken und Häuser sind baufällig. An den Rändern wuchern große Slumviertel, der Autoverkehr ist ein täglicher Alptraum.

Seit mehr als zehn Jahren versucht Ägypten, eine dritte U-Bahn-Linie fertigzustellen, die den heutigen Flughafen mit der Innenstadt verbindet.

In der neu ausgerufenen Hauptstadt dagegen sind nicht nur ein weiterer Großflughafen geplant, sondern auch Universitäten, Moscheen, 2000 Schulen, 600 Krankenhäuser, ein Technologiepark sowie ein Solarkraftwerk. „CC“ – für „Capital Cairo“ – haben enthusiastische Twitter-Befürworter das neue Gigaprojekt ihres Präsidenten getauft.

Andere im Netz dagegen reagierten entgeistert: „Unsere Dubai-besoffenen politischen, militärischen und ökonomischen Eliten wollen sich abkehren von einer Tausende Jahre alten Geschichte und so tun, als sei Ägypten ein unbeschriebenes Blatt“, schrieb Khaled Fahmy, bekannter Historiker an der American University in Kairo. „Sie sehnen sich nach einem neuen Ägypten – mit einer neuen Hauptstadt und mit einem neuen Volk.“

 
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