Es war eine Geste der Solidarität mit den Opfern und ihren Angehörigen – in einem Augenblick, in dem Belgien seinen König mehr braucht als sonst. Nur wenige Stunden nach dem Anschlag in der Lütticher Innenstadt reiste der Monarch Philippe in Begleitung von Premierminister Louis Michel am Dienstagmittag in die wallonische Stadt an der Maas. Auch wenn die Ereignisse noch nicht alle restlos aufgeklärt werden konnten, so verdichteten sich die Indizien für einen Terroranschlag doch im Laufe des Tages immer mehr.
Gegen halb elf am Dienstagmorgen griff der Täter, der mit einem Messer ausgerüstet war, in der Innenstadt von Lüttich zwei Polizistinnen von hinten an. Er entriss einer Beamtin ihre Waffe und erschoss beide. Anschließend lief er zunächst zu Fuß weiter, ermordete einen 22-jährigen Autofahrer in seinem Fahrzeug und floh dann in die nahe gelegen Schule Athenée Léonie de Waha, wo er eine Putzfrau als Geisel in seine Gewalt brachte.
Inzwischen hatte die Polizei Sicherheitskräfte zusammengezogen. Es begann eine heftige Schießerei. Zwei Polizisten wurden verletzt, ehe der Täter selbst „neutralisiert“ werden konnte. Die Reinigungskraft blieb unverletzt. Schwarz gekleidet sei der Täter gewesen, teilte die Polizei später mit und es gab offenbar auch „Allahu Akbar“-Rufe (Allah ist groß). Ob im Verlaufe der Ermittlungen weitere Indizien für einen islamistischen Hintergrund, gefunden werden können, war gestern noch ungewiss. Da der Vorfall dennoch als mutmaßlicher Terroranschlag eingestuft werde, sagte Staatsanwalt Philippe Dulieu, habe die Föderale Staatsanwaltschaft die Ermittlungen übernommen.
Zunächst einmal sicherten Polizeibeamte das Umfeld des Boulevard d?Avroy unweit des Flusses Maas. Dann wurden die Schüler aus dem Gebäude geholt. Lüttichs Bürgermeister Willy Demeyer bestätigte gegen Mittag, dass alle unverletzt, aber teilweise sehr schockiert gewesen seien. Sie wurden von Psychologen betreut.
Die Hintergründe der Tat blieben lange ungewiss. Bei dem Täter soll es sich um den 36-jährigen Belgier Benjamin Herman aus Rochefort handeln. Offenbar war er erst am Tag zuvor aus dem Gefängnis entlassen worden – auf Bewährung. Er verbüßte eine Haftstrafe wegen diverser Drogendelikte, galt auch als gewaltbereit. Unterdessen verdichten sich die Hinweise auf ein islamistisches Tatmotiv. Der Name des Täters habe wegen seiner Kontakte zu Islamisten auf einer Überwachungsliste der Polizei gestanden, verlautete aus Ermittlerkreisen. Es werde vermutet, dass er sich im Gefängnis radikalisiert habe. Der mutmaßliche Terrorist von Lüttich hatte es nach Angaben von Ermittlern darauf abgesehen, dem belgischen Staat zu schaden. Der Mann habe keinen Amoklauf begehen wollen, „sondern Polizisten treffen wollen, also die Institution, den belgischen Staat“, sagte der Chef der Lütticher Polizei, Christian Beaupere, am Dienstagabend.
„Unsere Gedanken sind bei den Opfern dieser schrecklichen Tat“, schrieb König Philippe in einer ersten Reaktion im Kurznachrichtendienst Twitter und wünschte den Angehörigen der Verletzten und Opfer „viel Mut“. Premierminister Charles Michel verurteilte die „feige und blinde Gewalt“ und sagte den Hinterbliebenen Unterstützung zu.
Die wurde in Belgien gerade erst neu geregelt, weil man Konsequenzen aus der fehlenden öffentlichen Hilfe für die Betroffenen der Anschläge vom 22. März 2016 ziehen wollte. Damals starben 32 Menschen bei Anschlägen am Brüsseler Flughafen und einer Bombe in einem Metro-Zug. Trotz der Ereignisse von Lüttich wollte das Krisenzentrum des Landes am Dienstag die Terrorwarnstufe 2 nicht anheben. Sie besagt, dass ein Anschlag derzeit „wenig wahrscheinlich“ ist.