Bei einem der schwersten Abstürze in der deutschen Luftfahrtgeschichte sind in Südfrankreich wahrscheinlich alle 150 Menschen an Bord ums Leben gekommen. Darunter waren ersten Angaben zufolge auch 67 Deutsche. Eine Maschine vom Typ Airbus A320 der Lufthansa-Tochter Germanwings auf dem Weg nach Düsseldorf stürzte am Dienstagvormittag nahe des Ortes Digne in den französischen Alpen in schwer zugänglichem Gebiet ab.
Bilder zeigen unzählige Trümmerteile in einer kargen Felslandschaft. „Es gibt keinen Überlebenden“, zitierte die Zeitung „Le Figaro“ den französischen Verkehrsstaatssekretär Alain Vidalies. Die Ursache des Absturzes ist völlig offen. Hoffnung auf baldige Aufklärung machte am frühen Abend die Meldung des französischen Innenministeriums, dass ein Flugschreiber der Absturzmaschine geortet wurde, der Aufschluss über die Ursache geben könnte.
- Gibt es neue Erkentnisse? Hier alle Nachrichten im Liveticker
An Bord waren laut Germanwings insgesamt 144 Passagiere und sechs Besatzungsmitglieder. Germanwings-Chef Thomas Winkelmann sprach von 67 deutschen Staatsbürgern an Bord. Die Bundesregierung dagegen hatte zunächst keine genauen Erkenntnisse über die Zahl der deutschen Todesopfer. Im Auswärtigen Amt hieß es am Nachmittag, die Identifizierung der Opfer in dem schwer zugänglichen Gebiet werde vermutlich längere Zeit dauern. Zu den Opfern zählen auch 16 Schüler und zwei Lehrkräfte eines Gymnasiums im westfälischen Haltern. Sie waren auf dem Rückweg von einem Austausch in der Nähe von Barcelona, wie NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann sagte. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck äußerten sich tief erschüttert.
Bei dem Absturz rund 100 Kilometer nordwestlich von Nizza wurde die Maschine völlig zerstört. „Ich habe keinen Zweifel, dass das Flugzeug gegen die Felswand geprallt ist“, zitierte die Zeitung „La Provence“ einen Augenzeugen, der Trümmer von einem Gebirgspass aus gesehen habe. Die Wucht des Aufpralls mache wenig Hoffnung auf Überlebende, sagte Innenministers Bernard Cazeneuve. „Entsetzliche Bilder in dieser Berglandschaft. Es bleibt nichts außer Trümmern und Körpern“, twitterte Christophe Castaner, Abgeordneter der Region Alpes-de-Haute-Provence, der die Unfallstelle überflogen hatte.
- Germanwings streicht Flüge
Am späten Nachmittag waren über Hunderte Einsatzkräfte und rund ein Dutzend Hubschrauber und Militärflugzeuge an der Unglücksstelle nahe des kleinen Ortes Prads-Haute-Bléone im Einsatz, wie „Le Monde“ berichtete. Eine Sporthalle des Bergortes Seyne-les-Alpes wurde nach einem TV-Bericht für die Aufbahrung von Opfern eingerichtet.
Deutschen Sicherheitsbehörden zufolge gibt es keinen Hinweis auf einen terroristischen Anschlag. Auch das Weiße Haus geht von einem Unfall aus: „Es gibt derzeit keine Anzeichen für einen Zusammenhang mit Terrorismus“, sagte eine Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats der Deutschen Presse-Agentur in Washington. Kanzlerin Merkel zeigte sich tief betroffen: „Der Absturz der deutschen Maschine mit über 140 Menschen an Bord ist ein Schock, der uns in Deutschland – und der Franzosen und Spanier – in tiefe Trauer stürzt“, sagte die Bundeskanzlerin. Sie betonte, es gebe noch nicht viele Informationen über die Ursache des Absturzes: „Jetzt ist die Stunde, in der wir alle große Trauer empfinden.“ Das Ausmaß des Leides sei unermesslich. Merkel wollte am Mittwoch zur Absturzstelle reisen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Verkehrsminister Alexander Dobrindt kamen am späten Dienstagnachmittag in Marseille an und sollten von dort zur Absturzstelle weiterreisen.
Am Flughafen Düsseldorf löste die Nachricht vom Absturz Schock, Entsetzen und Trauer aus. An der VIP-Lounge, die der Flughafen für Angehörige und Seelsorger zur Verfügung stellte, kamen Angehörige mit völlig verweinten Augen an. Von einem „rabenschwarzen Tag für den Flugverkehr“ sprach Airport-Sprecher Thomas Kötter. Vor dem Unglück war die Maschine nach Angaben von Germanwings in einem achtminütigen Sinkflug. Der Leiter des Flugbetriebs bei Germanwings, Stefan-Kenan Scheib, sagte, es habe dazu keine Kommunikation gegeben.
Die Besatzung der abgestürzten Maschine setzte nach Behördenangaben keinen Notruf ab. Das berichtete die französische Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf die für zivile Luftfahrt zuständige Stelle DGAC. Deswegen habe die Flugsicherung beschlossen, einen Notfall für das Flugzeug auszurufen. Es habe keinen Kontakt mehr zwischen Crew und Bodenkontrolle gegeben. In ersten Berichten war von einem Notsignal die Rede gewesen.
Die Ursache für den Absturz dürfte erst in einigen Wochen geklärt sein, wie Luftfahrt-Analyst Thomas Saquer von der Unternehmensberatung Frost & Sullivan sagte. Die Maschine scheine schnell an Höhe verloren zu haben, sagte Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt.