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BERLIN
Teure Staatsdiener a. D.
Senioren auf der Mainau       -  Pensionäre bekommen im Ruhestand mehr Geld als der Durchschnittsrentner – und leben laut Statistik länger. Das belastet die öffentlichen Haushalte, vor allem die der Länder, wenn ab 2020 die geburtenstarken Jahrgänge aus dem Erwerbsleben ausscheiden.
Foto: Patrick Seeger, dpa | Pensionäre bekommen im Ruhestand mehr Geld als der Durchschnittsrentner – und leben laut Statistik länger.
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 11.12.2019 14:45 Uhr

Alle reden von den Renten. Seitdem SPD-Chef Sigmar Gabriel und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer in seltener Eintracht eine neue Rentendebatte angestoßen, eine umfassende Rentenreform sowie eine höhere Alterssicherung für Geringverdiener gefordert haben, steht das Thema auf der politischen Tagesordnung wieder ganz oben. Dagegen redet niemand von den Pensionen für die Beamten in diesem Land. Und das, obwohl die Lasten, die auf den Bund, die Länder und die Kommunen und somit auf die Steuerzahler zukommen, immer größer werden.

Dabei könnten die Unterschiede zwischen dem, was Arbeiter und Angestellte im Alter erhalten, und dem, was der Staat seinen früheren Dienern überweist, krasser kaum sein. Während der sogenannte Eckwerte-rentner, der 45 Jahre lang immer das Durchschnittseinkommen (derzeit 34 507 Euro brutto im Jahr) verdient und in dieser Zeit die entsprechenden Beiträge in die Rentenversicherung einbezahlt hat, eine gesetzliche Rente von 1314 Euro brutto pro Monat erhält (das sind 17,5 Prozent mehr als im Jahr 2000) und bei entsprechender Vorsorge noch auf eine Riester-Rente von 70 Euro pro Monat kommt, können die 1,2 Millionen Pensionäre mit einem durchschnittlichen Ruhegehalt von 2730 Euro brutto im Monat rechnen. Im Vergleich zum Jahr 2000 ist dies ein Zuwachs von knapp 27 Prozent.

Doch diese Zahlen alleine sagen noch nicht die ganze Wahrheit. Denn die tatsächlichen Renten sind viel niedriger. Nach den aktuellen Zahlen der Deutschen Rentenversicherung bezogen Männer Ende 2014 eine Durchschnittsrente von 1013 Euro, Frauen müssen inklusive Hinterbliebenenrente mit lediglich 762 Euro im Monat auskommen. 25,2 Prozent der Männer und 55,6 Prozent der Frauen erhielten eine Rente von unter 600 Euro.

Insgesamt sind derzeit 536 000 Senioren über 65 Jahren auf staatliche Grundsicherung angewiesen, weil ihre Bezüge unter dem Existenzminimum liegen. Vier Fünftel der Betroffenen haben in die gesetzliche Rentenversicherung einbezahlt, ein Fünftel war zuvor selbstständig. Beamte finden sich hingegen nicht darunter.

Denn es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen Rentnern und Pensionären. Während sich die Höhe der gesetzlichen Rente aus der Summe der jährlichen Entgeltpunkte ergibt, zudem durch die Beitragsbemessungsgrenze gedeckelt ist und das Rentenniveau durch die Kürzungen der letzten Jahre auf mittlerweile 47,5 Prozent gesunken ist, erhalten Beamte nach 40 Dienstjahren 71,75 Prozent des Durchschnitts ihrer Dienstbezüge in den letzten drei Jahren, in denen sie in der Regel am höchsten sind. Um Rücklagen für die zukünftigen Pensionslasten zu bilden, werden die Besoldungserhöhungen allerdings nicht in vollem Umfang weitergegeben, sondern um 0,2 Prozent gekürzt.

Länder stärker als Bund betroffen

Gleichwohl werden die Pensionsverpflichtungen für die aus dem aktiven Dienst ausscheidenden Beamten in den kommenden Jahren zu enormen Belastungen für die öffentlichen Haushalte führen. Allein der Bund veranschlagt seine Ausgaben für die Pensionen seiner Beamten in den Bundesbehörden, bei der Post und der Bahn auf insgesamt fast 500 Milliarden Euro, hat in seinem Fonds bislang allerdings erst 6,75 Milliarden zurückgelegt.

Noch stärker betroffen sind die Länder, die rund zwei Drittel der 1,89 Millionen Staatsdiener beschäftigen. Sie müssen schon jetzt im Durchschnitt 31,2 Prozent ihrer Personalausgaben für Ruhegehälter einschließlich den Beihilfen für die Krankheitskosten aufbringen, in den westlichen Bundesländern sind es im Schnitt gar fast 35 Prozent. Und wenn ab dem Ende des Jahrzehnts die geburtenstarken Jahrgänge aus dem Erwerbsleben ausscheiden, schnellen die Lasten für die Haushalte rapide nach oben.

Nach Berechnungen des Freiburger Finanzwissenschaftlers Bernd Raffelhüschen geben die Länder im Augenblick etwa acht bis neun Prozent ihrer Steuereinnahmen für die Pensionen aus. In Zukunft werde sich dieser Wert auf bis zu 27 Prozent verdreifachen, wobei nach den beiden Stadtstaaten Hamburg und Bremen, die die höchsten Aufwendungen haben, Baden-Württemberg bereits an dritter Stelle folgt. Dagegen werden nach seinen Berechnungen Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen „am ehesten in der Lage sein, die Pensionslasten zu schultern“.

Experte fordert Reform

Weil Pensionäre nicht nur deutlich höhere Altersbezüge als Rentner erhalten, sondern im Durchschnitt auch länger leben, fordert der Rentenexperte der Universität Freiburg eine grundlegende Reform der Pensionen. So müsste nicht nur der bei der gesetzlichen Rente geltende Nachhaltigkeitsfaktor auch bei den Ruhestandsbezügen der Staatsdiener eingeführt werden, sondern auch die Berechnungsgrundlage an das Rentensystem angeglichen werden.

„Die Anwendung des durchschnittlichen Lebenseinkommens in der Beamtenversorgung würde nicht nur die Versorgungslast drastisch mindern, sondern auch zu einer Angleichung zwischen der Versorgung beider Alterssicherungssysteme führen.“ Mit Blick auf den demografischen Wandel hätten die gesetzlich Versicherten ihren Teil zur Sicherung der Sozialsysteme bereits geleistet, lautet sein Fazit: „Nun müssen auch Beamte zur Verantwortung gezogen werden.“

 
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