Mit der beschaulichen Ruhe im katalanischen Bergdorf Ripoll in den nordspanischen Pyrenäen ist es vorbei: In den vergangenen Tagen belagerte die Polizei das Dorf, in dem sich jene Terrorzelle versteckt hielt, die in Barcelona und dem Ferienort Cambrils Anschläge verübte. Mannschaftswagen der katalanischen Polizei, der Mossos d'Esquadra, stehen in den Straßen. Verhaftungen erfolgen. Häuser werden durchsucht. Auch jene Wohnung, wo der Imam wohnte, der die jungen Männer mit Hassbotschaften aufgehetzt haben soll – und der nun verschwunden ist.
Der Prediger Abdelbaki es Satty, der für die Polizei kein gänzlich Unbekannter ist, wird als möglicher Kopf der Terrorzelle angesehen, der insgesamt mindestens zwölf Islamisten im Alter von 17 bis 34 Jahren angehörten. Alle sind marokkanischer Abstammung und alle lebten bis auf einen in dem Dorf Ripoll.
Etwa der mutmaßliche Fahrer des Terrorfahrzeugs von Barcelona, ein 22-Jähriger, der nach der Tat flüchten konnte. Genauso wie der 17-Jährige, der zunächst von der Polizei verdächtigt worden war, am Donnerstag den Terrorwagen über die Rambla Barcelonas gesteuert zu haben – was jetzt aber weitestgehend ausgeschlossen wird.
Der 17-Jährige gehörte zu jenen fünf Terroristen, die am Freitagmorgen in Cambrils von der Polizei erschossen wurden. Genauso wie seine aus Ripoll stammenden vier Freunde, die gleichfalls, nachdem sie in Cambrils mit Messern auf Beamte und Passanten losgegangen waren, durch Polizeischüsse getötet wurden. Zudem wurden drei weitere mutmaßliche Gesinnungsgenossen in Ripoll festgenommen.
„Ganz normale Männer“
Sie alle formten eine Terrorzelle, in der vier Familiennamen mehrfach auftauchen, weil Brüder gemeinsame Sache machten: Moussa und Driss Oukabir; Mohamed und Ohmar Hychami; Houssaine und Younes Abou-yaaqoub; und Said, Mohamed und Youssef Aallaa. Die Einwohner waren völlig überrascht, als der Name ihres Dorfes in den Nachrichten auftauchten: „Wir sind bestürzt und traurig“, sagt Bürgermeister Jordi Munell. Obwohl in dem Ort mit 11 000 Einwohnern, davon neun Prozent Einwanderer, jeder jeden kenne, habe niemand etwas Verdächtiges bemerkt.
Die Familie der Brüder Oukabir lebe seit 20 Jahren in dem Dorf. Die meisten seien „ganz normale junge Männer“ gewesen, heißt es im Dorf.
Ihre radikalen Ansichten verbargen sie offenbar gut. Den Sicherheitsbehörden, welche die spanische Islamistenszene mit geheimdienstlichen Mitteln bisher recht erfolgreich observierten, entging die Radikalisierung der Gruppe völlig. Vielleicht auch, weil die Terrorzelle im abgelegenen Pyrenäen-Bergort Ripoll heranwuchs, rund 100 Kilometer von der gut bekannten Extremismus-Hochburg Barcelona entfernt?
In Ripoll brütete die Gruppe ihren heimtückischen Plan aus, der ursprünglich vorsah, drei Lieferwagen mit mächtigen Sprengsätzen zu versehen und in Barcelona sowie möglicherweise an anderen belebten Tourismusorten in der nordspanischen Region Katalonien zu zünden. Nachdem am Mittwoch ihre Bombenwerkstatt im Keller eines Hauses im 200 Kilometer von Ripoll entfernten Küstenort Alcanar in die Luft geflogen war, entschieden sie sich für die mörderische Fahrt über die Flaniermeile Las Ramblas in Barcelona am Donnerstagnachmittag und den Terrorangriff am Freitagmorgen im Badeort Cambrils.
Verschwundener Imam tot?
Monatelang hatte die Zelle ihre Tat vorbereitet: Sie kauften mehr als 100 Butangasflaschen. Und experimentierten mit anderen Bombenbaumaterialien wie dem hochexplosiven Gemisch Triacetontriperoxid (TATP), das schon bei den Anschlägen in London 2005 und in Paris 2015 benutzt wurde und wegen seiner verheerenden Wirkung in der Islamistenszene auch „Mutter des Satans“ genannt wird. Spätestens seit Juni bastelten sie im Keller eines abgelegenen Einfamilienhauses in Alcanar Sprengsätze.
Besonders vorsichtig waren sie nicht: Am Abend des 16. August zerstörte eine große Explosion ihren Bombenkeller. Unter den Trümmern fand die Polizei zwei Leichen. Eine davon könnte jene des verschwundenen Imam aus Ripoll, Abdelbaki es Satty, sein. Der zweite Körper gehört möglicherweise Youssef Aalla. Ein dritter Bombenbauer, Mohamed Houli Chemlal, wurde bei der Explosion verletzt und festgenommen.
Spaniens Innenminister Juan Ignacio Zoido verkündete am Wochenende: Die Gruppe sei „vollständig zerschlagen“. Sein Kollege aus der Region Katalonien, Joaquim Forn, widersprach und sagte, die Terrorzelle sei erst außer Gefecht, „wenn man den Aufenthaltsort von allen Personen, die dazugehörten, kennt“. Und das ist derzeit noch nicht der Fall. Denn einer ist weiter auf der Flucht: der mutmaßliche Todesfahrer Younes Abouyaaqoub.