
Anderthalb Tage nach dem Verschwinden einer Egyptair-Maschine über dem Mittelmeer haben die ägyptischen Streitkräfte erste Trümmer sowie Koffer und Leichenteile aus dem Wasser geborgen. Die Unglücksstelle liege etwa 290 Kilometer von der Hafenstadt Alexandria entfernt, erklärte Armeesprecher General Mohammed Samir per Facebook.
Die Überreste, darunter zwei Passagiersitze, wurden im Laufe des Tages zur Untersuchung nach Kairo geflogen. Ziemlich genau in dieser Region, in der ein europäischer Satellit am Freitag auch einen Ölfleck auf dem Wasser entdeckte, verlor das Flugradar am Donnerstag früh um 2.30 Uhr den Kontakt zu dem Airbus 320.
Präsident Abdel Fattah al-Sisi sprach den Angehörigen und Freunden der Opfer sein Beileid aus und dankte vor allem Griechenland und Frankreich für die bisher geleistete Hilfe. Vier französische Unfallspezialisten trafen in Kairo ein, die die ägyptischen Behörden bei den Ermittlungen unterstützen sollen, sobald auch Flugschreiber und Cockpitrekorder gefunden sind. Erst dann werden sich die Vorgänge an Bord, die zu der nächtlichen Katastrophe führten, wahrscheinlich rekonstruieren und aufklären lassen.
„Es gibt bisher keinerlei Hinweise darauf, was den Absturz verursacht haben könnte“, erklärte Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault im Sender France 2. Alle Möglichkeiten würden geprüft, bisher gebe es keine bevorzugte Hypothese. Damit widersprach Frankreich indirekt dem ägyptischen Verkehrsminister Sherif Fathi, der am Donnerstag einen Terroranschlag als die wahrscheinlichere Ursache bezeichnet hatte.
Nach Angaben des Pentagons registrierten US-Satelliten über dem östlichen Mittelmeer zum vermuteten Unglückszeitpunkt keine Hinweise auf eine Explosion. Und so gehen die Ermittler im Wesentlichen von drei möglichen Szenarien aus – einem Terroranschlag, einem technischen Versagen oder einem fatalen Fehlverhalten der Piloten. El Kaida und „Islamischer Staat“ haben in der Vergangenheit spektakuläre Anschläge auf Flugzeuge verübt, allerdings hat sich keine der beiden Terrororganisationen bisher zu einem Attentat auf Flug MS 804 bekannt. Eine mögliche Bombe mit Zeitzünder könnte in Paris oder Kairo an Bord gebracht worden sein.
Im Oktober 2015 gelang es der IS-Filiale auf dem Sinai, auf dem Flugplatz in Scharm el-Scheich einen Sprengsatz im Passagierraum eines russischen Ferienfliegers zu verstecken, welcher eine halbe Stunde nach dem Start am Roten Meer über dem Nordsinai abstürzte und alle 224 Insassen mit in den Tod riss. El Kaida im Jemen schmuggelte im Oktober 2010 mit Zeitzündern und Sprengstoff präparierte Toner-Kartuschen an Bord von zwei Frachtflugzeugen. Die tödliche Ladung wurde rechtzeitig entdeckt, weil der saudische Geheimdienst über einen Doppelagenten in der Terrorszene rechtzeitig gewarnt wurde.
Der am Donnerstag im östlichen Mittelmeer abgestürzte Airbus von Egyptair war 13 Jahre im Dienst, hatte nach Angaben des Herstellers rund 48 000 Flugstunden absolviert und erst kurz zuvor in Kairo einen technischen Routinecheck durchlaufen. Im Logbuch der Maschine waren keine technischen Probleme vermerkt. Eine mögliche technische Katastrophe an Bord muss sich so plötzlich ereignet haben, dass den Piloten keine Zeit mehr für einen Notruf blieb.
Nach Angaben des griechischen Verteidigungsministeriums flog die Unglücksmaschine in ihren letzten Minuten zunächst eine scharfe Kurve nach links und dann einen 360-Grad-Kreis nach rechts, während sie rasant an Höhe verlor.
Das könnte auf einen Kampf um den Steuerknüppel im Cockpit hindeuten, entweder zwischen den beiden Piloten oder zwischen der Besatzung und einem Entführer, der die Maschine in seine Gewalt und womöglich über Kairo zum Absturz bringen wollte. Aber auch einer der beiden Piloten könnte versucht haben, mit der Maschine Selbstmord zu begehen. Erst im März vergangenen Jahres hatte sich ein 27-jähriger deutscher Co-Pilot der Gesellschaft Germanwings ins Cockpit eingeschlossen und das Flugzeug in ein Felsmassiv der Alpen gerammt.
Auch der Absturz einer Egyptair-Maschine 1999 vor der amerikanischen Küste soll nach Ansicht amerikanischer Ermittler durch den Selbstmord des ägyptischen Co-Piloten verursacht worden sein. Die Boeing 767 war damals gut eine halbe Stunde nach ihrem Start in New York nahezu senkrecht ins Meer gerast. Alle 217 Menschen an Bord kamen ums Leben.