Noch ist nichts sicher. Erst am 21. Juni wollen Koalition und Opposition ihren Streit um den sogenannten Fiskalpakt beilegen. Damit auch Sozialdemokraten und Grüne dem Vertrag zustimmen, der unter anderem die Einführung einer Schuldengrenze nach deutschem Vorbild in den anderen Ländern der Eurozone vorsieht, haben Union und FDP deren Forderung nach einer schärferen Besteuerung von Börsengeschäften im Prinzip bereits akzeptiert. Tatsächlich jedoch ist die Einführung der sogenannten Transaktionssteuer noch mit vielen Tücken verbunden.
Nein. In Großbritannien ist der Hochfrequenzhandel, in dem mit einem Mausklick Milliarden um die Welt und wieder zurückgejagt werden, von der sogenannten Stempelsteuer ebenso ausgenommen wie Geschäfte mit Devisen, Derivaten, Rohstoffen oder Anleihen. Die Steuer, die dem Fiskus jedes Jahr mehr als drei Milliarden Euro einbringt, wird lediglich beim Kauf von Aktien britischer Gesellschaften fällig – und auch hier gibt es noch Ausnahmeregelungen für institutionelle Investoren. In der Schweiz spielt eine ähnliche Steuer jedes Jahr rund 1,5 Milliarden Euro ein, ebenfalls mit Ausnahmen für Fonds, Versicherer und andere institutionelle Anleger. In Frankreich hat die Nationalversammlung im Februar eine neue Steuer von 0,1 Prozent auf den Handel mit Aktien großer Unternehmen beschlossen. Sie soll im August eingeführt werden und dem Staat rund eine Milliarde Euro pro Jahr einbringen. In Schweden ist der Handel nach der Einführung einer Transaktionssteuer 1985 dagegen regelrecht eingebrochen. Nachdem sie nur einen Bruchteil der erhofften Einnahmen erbracht hatte, wurde sie nach sieben Jahren wieder abgeschafft.
Das kommt darauf an, wie die neue Transaktionssteuer ausgestaltet wird. In einer vorläufigen Vereinbarung von Koalition und Opposition heißt es lediglich, sie solle mit einem Steuersatz zwischen 0,1 und 0,01 Prozent „möglichst alle Finanzinstrumente“ erfassen, also auch Derivate, Optionsscheine oder Staatsanleihen. Gleichzeitig allerdings hat die FDP versprochen, Riester-Sparer und Kleinanleger zu verschonen. Je länger der Katalog der Ausnahmeregelungen jedoch wird, umso geringer ist unterm Strich auch das Steueraufkommen. Außerdem muss Schäuble damit rechnen, dass Banken und Fondsgesellschaften noch stärker auf Länder wie Luxemburg ausweichen, die keine Besteuerung von Börsengeschäften planen.
Das ist bislang völlig unklar. Im Moment würden noch verschiedene Modelle diskutiert, betont Koschyk. Am einfachsten wäre es, alle Fonds von der Steuer zu befreien – was mit der SPD aber kaum zu machen sein wird. Wie teuer die Steuer einem Sparer zu stehen kommen kann, zeigt eine Modellrechnung der Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken. Ein typischer Riester-Kunde, der jeden Monat 100 Euro zur Seite legt, hätte danach nach einer Ansparphase von 40 Jahren mehr als 14 000 Euro an Transaktionssteuern abgeführt, bei einer durchschnittlichen Verzinsung von fünf Prozent entspricht das etwa einem Zehntel des gesparten Kapitals.
Das liegt vor allem daran, dass die Manager von Riester-Fonds häufig zwischen risikoreicheren und risikoärmeren Papieren umschichten müssen, um ihren Kunden jederzeit das eingezahlte Kapital garantieren zu können – bei jedem Kauf und Verkauf eines Anteilsscheines aber würde die neue Steuer fällig. Streng genommen zahlt der Anleger die Transaktionssteuer sogar noch viel öfter, weil der jeweilige Fonds, für den er sich entscheidet, ja auch selbst wieder Aktien und festverzinsliche Wertpapiere kauft und verkauft und dann auch für diese Transaktionen Steuern zahlen muss.
Union und FDP betrachten die Börsensteuer vor allem als politische Notwendigkeit, als Zugeständnis an die SPD sozusagen. Die europäischen Verträge erlauben die Einführung der Steuer bereits, wenn sich mindestens neun Länder für sie entscheiden. In einem Brief an die dänische Ratspräsidentschaft haben sich neben Deutschland und Frankreich auch Österreich, Finnland, Belgien, Spanien, Griechenland, Italien und Portugal für eine Transaktionssteuer ausgesprochen. Ob es jedes dieser neun Länder dabei allerdings so ernst meint wie der französische Präsident François Hollande und die deutsche SPD, ist allerdings keineswegs sicher.