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Mailand
Tat als Protest gegen Migrationspolitik
Ein Busfahrer hatte bei Mailand 51 Schüler gekidnappt. Die Polizei konnte alle Kinder befreien.
Das Wrack des Schulbusses in der Nähe von Mailand
Foto: FLAVIO LO SCALZO, afp | Das Wrack des Schulbusses in der Nähe von Mailand
Julius Müller-Meiningen
 |  aktualisiert: 01.04.2019 02:11 Uhr

Es sollte ein Blutbad werden, um ein anderes Massensterben zu verhindern. Dieses Paradox verleitete offenbar einen 47 Jahre alten Busfahrer am Mittwoch bei Mailand zu einer bislang nicht rational erklärbaren Verzweiflungstat. „Es muss Schluss sein mit den Afrikanern, die im Mittelmeer ertrinken“, habe Ousseynou S. bei seiner Vernehmung am Mittwochabend gesagt und auf diese Weise seine Tat mit den zahlreichen Toten begründet, die bei der Überfahrt nach Europa ums Leben kommen. Auf der Fahrt von Crema nach Mailand hatte der Busfahrer das von ihm gesteuerte Fahrzeug entführt, Benzin im Inneren vergossen und die 51 Schulkinder und drei Betreuer bedroht. Schließlich konnte die italienische Polizei den in Flammen aufgehenden Bus stoppen, alle Kinder befreien und den Täter festnehmen.


Die Ermittler schlossen in einer ersten Reaktion einen islamistischen oder in anderer Weise politisch motivierten Hintergrund aus. S. habe als Einzeltäter gehandelt, seine Tat aber gut vorbereitet. Noch am Donnerstag waren die Ermittler auf der Suche nach einem vom Täter aufgenommenen Video, in dem er seine Tat ankündigt. In einem Interneteintrag eines der gekidnappten Schüler heißt es, der Busfahrer habe während der Fahrt davon gesprochen, er habe „drei Kinder im Meer verloren“. Offenbar beschwerte sich Ousseynou S. auch über die harte Flüchtlingspolitik der italienischen Regierung, die kaum noch Flüchtlinge ins Land lässt. Er wolle die Flüchtlinge rächen, habe er den Ermittlern bei seiner Vernehmung gesagt. „Die Toten im Mittelmeer, die schwangeren Frauen, die Männer, die Kinder, die von Haifischen bei lebendigem Leib gefressen werden. Schluss mit diesem Massaker“, so zitieren italienische Zeitungen den Täter.


S. wurde in Frankreich als Sohn senegalesischer Eltern geboren und hat seit 2002 die italienische Staatsbürgerschaft. Seit 2004 arbeitete er als Busfahrer. 2007 musste er zeitweise seinen Führerschein wegen Trunkenheit am Steuer abgeben. 2011 verurteilte ihn ein italienisches Gericht zu einer einjährigen Haftstrafe auf Bewährung wegen sexueller Belästigung. Der italienische Innenminister Matteo Salvini von der ultrarechten Lega kündigte an, dem Täter die italienische Staatsbürgerschaft entziehen zu wollen. „Dieser Widerling muss bezahlen“, schrieb Salvini auf Twitter. Auch der Sohn von US-Präsident Donald Trump, Donald Trump Jr., nahm am Donnerstag Bezug auf den Vorfall bei Mailand. Er wundere sich nicht, dass der Anschlag kaum Beachtung in den Medien finde. Er passe einfach nicht in das Narrativ, „dass jeder, der zu uns kommt wie Mutter Theresa und jeder, der Sicherheit will, Rassist ist“, schrieb Trump Jr. auf Twitter. „Ich kann nicht verstehen, warum ein Land nicht mehr feine Kerle wie diesen nicht haben möchte!?!“, fügte Trump Jr. hinzu.


S. hatte mit seinem Bus am Mittwochmittag zwei Schulklassen mit 12- und 13-Jährigen vom Sportunterricht abgeholt. Während der Fahrt Richtung Mailand stoppte er das Fahrzeug, vergoss Benzin im Inneren und forderte die drei Lehrer auf, die Kinder mit Plastikbändern an den Sitzen zu fesseln. „Macht sie fest. Hier kommt niemand lebend raus“, soll S. nach Augenzeugenberichten während der 40-minütigen Geiselnahme gesagt haben. Seine Geiseln bedrohte er mit einem Messer, er habe ein Feuerzeug in der Hand gehalten. Zeugen berichteten, S. habe auch eine Pistole bei sich gehabt.


Zwei Schülern gelang es dennoch, per Handy Notrufe abzusetzen. Infolgedessen versuchte die Polizei den Bus zu stoppen. Schließlich gelang es den Beamten die Heckscheibe einzuschlagen, sämtliche Passagiere konnten entkommen. Der Bus, den S. in Brand setzte, als noch Kinder an Bord waren, brannte komplett aus. Zwölf Schüler, zwei Erwachsene, ein Carabiniere sowie der Täter wurden wegen Rauchvergiftungen oder Verbrennungen behandelt. „Es hätte ein Blutbad werden können, aber es geschah ein Wunder“, sagte der Mailänder Oberstaatsanwalt Francesco Greco. Davide Lacchini, der Anwalt des Beschuldigten, behauptete, sein Mandant habe die Kinder nicht verletzen wollen. „Er wollte eine Aufsehen erregende Tat begehen, weil er denkt, das das Migrationsthema unterschätzt ist und weil er als Senegalese mitfühlt.“ Die Toten im Meer seien seine Brüder.


 
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