Seit Tagen versucht das Weiße Haus, der US-Bevölkerung die Notwendigkeit eines Militärschlages gegen Syrien zu erklären, immer noch stößt der Plan auf überwältigende Ablehnung. Heute greift Präsident Barack Obama zum letzten Mittel: Eine Fernsehansprache an die Nation soll die Stimmung drehen.
Einer CNN-Umfrage zufolge glauben zwar acht von zehn Amerikanern, dass das Regime von Syriens Machthaber Baschar al-Assad Giftgas eingesetzt hat. Sieben von zehn sagen aber auch, dass ein Militärschlag keines der US-Ziele erreichen würde. Nur 39 Prozent finden, dass der Kongress Obama dazu autorisieren sollte.
Trotzdem hat Russland überraschend als Zugeständnis an die USA seinen engen Verbündeten Syrien zur Vernichtung der Chemiewaffen aufgefordert. Die Führung in Damaskus müsse zudem der Chemiewaffenkonvention beitreten, forderte Außenminister Sergej Lawrow am Montag in Moskau. Wenn dies helfe, einen US-Militärschlag zu verhindern, werde sich Russland bei dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad dafür einsetzen.
Der syrische Außenminister begrüßte die russische Initiative zur internationalen Kontrolle über seine Chemiewaffen. Es gehe darum, eine „US-amerikanische Aggression gegen das syrische Volk“ zu verhindern, sagte Walid al-Muallim nach Angaben der Agentur Interfax in Moskau.
„Wir fordern die syrische Führung auf, die Chemiewaffen nicht nur unter internationale Kontrolle zu stellen, sondern auch später zu vernichten“, sagte Lawrow.
In den USA hat Obamas Team hat das gesammelte politische Kapital in die Waagschale geworfen. Gleich nach Obamas Heimkehr vom G-20-Gipfel war Denis McDonough, Stabschef des Weißen Hauses, am Sonntag in fünf großen Sonntags-Talkshows aufgetreten.
Hochrangige Vertreter der Regierung gehen im Kongress ein und aus, um Mandatsträger zu bearbeiten; als Vizepräsident Joe Biden am Sonntag oppositionelle Senatoren zum Abendessen eingeladen hatte, schaute zufällig auch der Präsident vorbei.
In den Medien melden sich prominente Unterstützer zu Wort: die beiden früheren Außenministerinnen Madeleine Albright und Hillary Clinton etwa, der ehemalige CIA-Chef David Petraeus. Für den gestrigen Montagabend waren sechs Fernsehinterviews mit Obama selbst angekündigt, am heutigen Dienstag will der Präsident seine Pläne persönlich im Kongress vorstellen, bevor er sich zur besten Sendezeit aus dem Oval Office an die Nation wendet.
Dass eine solche Ansprache die Stimmung im Land tatsächlich drehen könnte, glauben zwar die wenigsten. Aber vielleicht beeinflusst sie die Waage im Kongress. Es ist Obamas letzte Chance. Dabei spielt längst auch eine Rolle, dass es um mehr geht als nur um Syrien.
Ein Sieg des Präsidenten könnte ihm helfen, das parteipolitische Hickhack im Kongress auch bei anderen Themen zu überwinden, die in diesem Herbst anstehen, allen voran die Haushaltsverhandlungen. Eine Niederlage könnte ihn für den Rest seiner Regierungszeit entscheidend schwächen. Demokratische Abgeordnete, die den Sinn einer Intervention bezweifeln, bringt das in eine Zwickmühle.
US-Außenminister John Kerry hatte am Sonntag nach einem Treffen mit arabischen Amtskollegen bekannt gegeben, dass Saudi-Arabien den geplanten „Schlag“ gegen Syrien unterstütze. Am Montag beendete er eine viertägige Europa-Tour in London mit einer Pressekonferenz, in deren Verlauf er gefragt wurde, ob Assad irgendetwas tun könne, um einen Angriff abzuwenden.
„Sicher“, antwortete Kerry, „er könnte innerhalb dieser Woche jede einzelne seiner chemischen Waffen an die internationale Gemeinschaft übergeben“ – möglicherweise entscheidet der Kongress schon in dieser Woche. „Aber er wird es nicht tun“, sagte Kerry über Assad, „und es kann auch nicht getan werden.“
Nachdem vor allem internationale Medien kurzfristig über ein Ultimatum berichtet hatten, stellte das US-Außenministerium später am Tag noch einmal klar, dass es sich um ein „rhetorisches Argument“ gehandelt habe.
Baschar al-Assad hat in einem Gespräch mit dem US-Sender CBS erneut jede Verantwortung für einen Chemiewaffeneinsatz bestritten. Im Fall eines Angriffs, sagte er dem Interviewer Charlie Rosen, müssten die USA „alles erwarten“.
Mit Informationen von dpa