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DAMASKUS
Syrien: Schreckliche Gewissheit für die Angehörigen
Bis zu 13 000 Menschen sollen in dem berüchtigten Sednaya-Gefängnis (hier eine Luftaufnahme) ermordet worden sein.
Foto: SCREENSHOT GOOGLE | Bis zu 13 000 Menschen sollen in dem berüchtigten Sednaya-Gefängnis (hier eine Luftaufnahme) ermordet worden sein.
Martin Gehlen
 |  aktualisiert: 02.04.2019 11:18 Uhr

Das letzte Mal, dass seine Mutter Islam Dabbas sah, war am 13. November 2012 in dem berüchtigten Sednaya-Gefängnis nahe Damaskus. Ihr Sohn trug ein T-Shirt mit der Aufschrift „Just Freedom“, wirkte krank und entkräftet, flehte seine Mutter und seinen Bruder Abdulrahman an, ihm Essen und ein paar Kleider zu bringen. Ganze zwei Minuten Kontakt erlaubten die Wächter, danach hörten Eltern und Geschwister nie mehr etwas von dem Ingenieurstudenten – bis sich nach fast sechs bangen Jahren der Ungewissheit vor ein paar Tagen plötzlich ein Beamter bei der Familie meldete.

Islam Dabbas, der den Spitznamen „Rose der Revolution“ trug, war im Juli 2011 in Daraya, einem Vorort von Damaskus, verhaftet worden. Er gehörte mit seinen Freunden Yehya und Maan Shurbaji zur „Daraya-Jugend“, die sich trotz der Brutalität der Sicherheitskräfte strikte Gewaltlosigkeit auf die Fahnen geschrieben hatte und den Soldaten mit Rosen in der Hand entgegentrat.

Hebas Bruder ist seit Jahren tot

Auf dem Amt in Daraya bekamen die Angehörigen jetzt Gewissheit. Islam Dabbas ist seit Jahren tot, wahrscheinlich hingerichtet am 15. Januar 2013 zusammen mit den Brüdern Shurbaji. „Ganz tief im Herzen hatten wir damit gerechnet“, sagte seine Schwester Heba, die mittlerweile in Ägypten lebt. „Auch wenn wir irgendwie bis zuletzt gehofft haben, er werde wieder auftauchen, sein Studium zu Ende machen und heiraten.“

So wie Familie Dabbas erfahren in diesen Wochen Tausende syrische Familien, dass ihre in den Verliesen des Regimes verschwundenen Liebsten nicht mehr am Leben sind. Mal hingen handgeschriebene Listen in Schaukästen aus, mal wurden die Verwandten von kommunalen Vertretern angerufen, oder sie entdeckten zufällig bei einem Termin im Einwohnermeldeamt die schreckliche Nachricht in der Familienakte.

Denn Bashar al-Assad fühlt sich jetzt offenbar fest genug im Sattel, um seine Gegner mit der brutalen Wahrheit zu konfrontieren. „Unser Sieg ist nahe“, schrieb der Diktator am Mittwoch an die Angehörigen seiner Armee. Russland drängt ebenfalls auf einen solchen Schlussstrich, weil das ungeklärte Schicksal der politischen Gefangenen bisher alle Verhandlungen über ein Nachkriegssyrien, sowohl in Genf als auch in Astana, blockierte. Moskau will die aktiven Kämpfe möglichst bald beenden und die Rückkehr der mehr als sechs Millionen Flüchtlinge beschleunigen, um Syriens Infrastruktur wieder aufzubauen und die Machtdividende seines bald dreijährigen Militäreinsatzes einzustreichen.

Angebliche Todesursachen

Und so gab das syrische Regime nach den jüngsten Kriegserfolgen im Süden nun erstmals den Befehl, die Sterbeurkunden der zu Tode Gefolterten, Verhungerten oder heimlich Exekutierten an die örtlichen Meldeämter zu übermitteln. Eingetragen als Todesursache sind meist Herzstillstand oder Gehirnschlag, berichtete das Nachrichtenportal „Syria Direct“.

Bereits im Februar 2017 hatte Amnesty International schwere Vorwürfe gegen die Assad-Clique erhoben und das Sednaya-Gefängnis als „menschliches Schlachthaus“ bezeichnet. Die Organisation bezichtigte Damaskus, dort bis 2015 bis zu 13 000 Gefangene in einem industriellen Ausmaß hingerichtet und deren Leichen in einem Krematorium auf dem Gelände verbrannt zu haben – damals von Assads Getreuen empört als Lüge und westliche Propaganda abgetan. Nach Angaben des „Syrischen Netzwerks für Menschenrechte“ fehlt von 81 652 Syrern jede Spur, die zwischen März 2011 und Juni 2018 verhaftet wurden.

8000 Folteropfer sind jetzt bekannt

Mitarbeiter des Internetportals Zaman Al-Wasl schätzen die Zahl der bisher mit Namen bekannten Folteropfer auf nahezu 8000. Allein in Daraya, der Heimat von Islam Dabbas, kamen jetzt tausend weitere hinzu, alle auf der neuen, kürzlich an die Stadtverwaltung übermittelten Todesliste.

 
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