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BERLIN
Svenja Schulze: „Ich bin kein Buddy der Autobosse“
Bundestag       -  Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) wehrt sich gegen die Kritik von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) an den EU-Verhandlungen zum Klimaschutz im Verkehr.
Foto: Fabian Sommer, dpa | Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) wehrt sich gegen die Kritik von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) an den EU-Verhandlungen zum Klimaschutz im Verkehr.
Bernhard Junginger
 |  aktualisiert: 02.04.2019 12:37 Uhr

Wegen der Einigung auf neue CO2-Grenzwerte in der EU hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) seiner Kabinettskollegin Svenja Schulze vorgeworfen, sie habe schlecht verhandelt. Die SPD-Umweltministerin weist die Kritik aus der CSU und der Automobilwirtschaft scharf zurück. Die 50-jährige SPD-Politikerin ist seit März Bundesumweltministerin. Sie war von 2010 bis 2017 Wissenschaftsministerin von Nordrhein-Westfalen. Warum Svenja Schulze findet, dass die Einigung der EU-Minister eine gute Nachricht für die Verbraucher ist.

Frage: Die EU-Mitgliedstaaten haben sich darauf geeinigt, dass Autos in Europa bis 2030 durchschnittlich 35 Prozent weniger CO2 ausstoßen dürfen. Was bedeutet das für die Autofahrer in Deutschland?

Svenja Schulze: Diese Einigung war ein wichtiger Fortschritt. Jetzt ist der Weg frei für die Verhandlungen mit dem Europaparlament. Wir werden also hoffentlich bald neue Klimaschutz-Grenzwerte für Neuwagen haben, die dann für die Zeit bis 2030 gelten. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher ist das eine gute Nachricht, schon weil sie beim Tanken sparen können. Denn die Automobilhersteller stehen nun unter Druck, in den 20er Jahren sparsamere und klimafreundlichere Autos anzubieten. Und sie müssen dafür sorgen, dass Elektroautos besser und billiger werden. Europaweite Grenzwerte sind eines der besten und gerechtesten Instrumente, die wir in der Klimapolitik haben, weil die Hersteller in die Pflicht genommen werden und die ganze Verantwortung für den Klimaschutz nicht bei den Autofahrern selber abgeladen wird.

Verkehrsminister Andreas Scheuer wirft Ihnen vor, Sie hätten auf EU-Ebene nur halbherzig verhandelt . . .

Schulze: Ich bin kein Buddy der Autobosse. Und es ist auch nicht meine Aufgabe, die Autoindustrie in Watte zu packen. Mein Ziel ist, dass die deutsche Automobilindustrie den Wandel hin zu neuer, sauberer Mobilität nicht verschläft. Ich möchte, dass die Hunderttausenden guten Jobs in der Automobilwirtschaft hierzulande erhalten bleiben und nicht nach China abwandern. China geht in der Elektromobilität entschlossen voran. Wenn wir den Anschluss nicht verpassen wollen, brauchen wir auch in Europa Regeln im Sinne des Klimaschutzes.

Welche Position haben Sie denn nun auf EU-Ebene vertreten?

Schulze: Es ist kein Geheimnis, dass ich noch mehr Ehrgeiz für möglich und richtig gehalten hätte und innerhalb der Bundesregierung auch dafür geworben habe. Aber in den Verhandlungen habe ich die gemeinsame Linie der Bundesregierung vertreten. Die lag am Dienstagmorgen noch bei 30 Prozent. Im Laufe des Tages habe ich dann in enger Absprache mit dem Kanzleramt auf 35 Prozent erhöhen können. Das war wichtig, weil Deutschland so als Brückenbauer zwischen den skeptischeren Osteuropäern und den ambitionierteren Westeuropäern fungieren konnte. Nach wirklich schweren Verhandlungen ist es gelungen, einen breiten Konsens in Europa zu organisieren.

Volkswagen-Chef Herbert Diess droht nun mit massivem Stellenabbau, wenn die Grenzwerte weiter erhöht würden. Bei 40 Prozent Senkung seien 100 000 Jobs in Gefahr.

Schulze: Ich weiß nicht, wie er auf diese Zahlen kommt. Die meisten Experten sehen das jedenfalls anders. Grundsätzlich haben die Autobauer mit den neuen Grenzwerten zwei Möglichkeiten: Sie können effizientere Fahrzeuge bauen und sie können mehr Elektroautos auf den Markt bringen. Abgeleitet von den Berechnungen der EU-Kommission müssten im Jahr 2030 etwas mehr als 10 Prozent der Neuwagen reine Elek-troautos sein. Ich halte das nicht für übertrieben ehrgeizig. Volkswagen selbst setzt in seiner Konzernstrategie auf einen Anteil von 25 Prozent Elek-troautos am Konzernabsatz im Jahr 2025. Ich befürchte, dass die Automobilindustrie in Deutschland immer weiter Riesengewinne mit Verbrennungsmotoren machen möchte und diese Gewinne dann dazu nutzt, neue E-Auto-Fabriken in China zu bauen. Ich möchte, dass diese Fabriken bei uns entstehen und dass Deutschland nicht zum Museum für den Verbrennungsmotor wird.

Aber sind Elektroautos wirklich besser fürs Klima? Wenn die mit Kohlestrom fahren, ist für die Umwelt nichts gewonnen.

Schulze: Schon beim heutigen Strommix ist das Elektroauto eindeutig besser als der Verbrenner. Zudem wird der Strom-Mix im Jahr 2030 ein völlig anderer sein als heute. Heute haben wir rund 35 Prozent Ökostrom, 2030 wollen wir 65 Prozent haben. Gleichzeitig organisieren wir einen sozial verträglichen Kohleausstieg. Elektroautos haben also die Perspektive, in Zukunft komplett klimafreundlich zu fahren. Aber es wäre klima- und industriepolitisch völlig falsch, erst dann mit der Entwicklung anzufangen, wenn wir mit dem Kohleausstieg fertig sind. Das muss parallel laufen.

Auch beim Thema Diesel stehen Sie im Konflikt mit der Automobilwirtschaft. Glauben Sie immer noch, dass Nachrüstungen kommen?

Schulze: Nachrüstungen müssen kommen, weil sie der beste und gerechteste Ausweg aus der Dieselkrise sind. In der Bundesregierung sind wir uns da inzwischen einig. Was noch fehlt, sind die Zusagen der Autoindustrie. Volkswagen ist gesprächsbereit, wenn die anderen mitziehen, Daimler denkt noch nach. Nur BMW leistet sich immer noch eine Blockadehaltung. Das kann so nicht bleiben, hier brauchen wir politischen Druck. Ich bin froh, dass auch die Kanzlerin noch einmal deutlich gemacht hat, dass wir Nachrüstungen brauchen. Hier würde ich mir aber auch mal ein klares Wort der CSU wünschen.

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