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KIEL
Stürmische Zeiten für Merkel
Gremiensitzungen der Bundesparteien       -  CDU-Kanzlerin Angela Merkel: Drei einfache Parteimitglieder haben auf dem CDU-Parteitag eine Gegenkandidatur gegen die Vorsitzende angekündigt.
Foto: Kay Nietfeld,dpa | CDU-Kanzlerin Angela Merkel: Drei einfache Parteimitglieder haben auf dem CDU-Parteitag eine Gegenkandidatur gegen die Vorsitzende angekündigt.
Bernhard Junginger
 |  aktualisiert: 02.04.2019 12:33 Uhr

Angela Merkel kann erleichtert sein. Großen Applaus bekommt die Bundeskanzlerin beim Deutschlandtag der Jungen Union zwar nicht, doch wenigstens bleiben die befürchteten Buhrufe aus. Sogar einen gelben Regenmantel bekommt sie in Kiel überreicht. Merkel wertet den Friesennerz als Zeichen, dass sie der konservative Nachwuchs nicht im Regen stehen lässt.

In der Tat sind die Zeiten für die Kanzlerin so stürmisch wie selten zuvor. Von überall her prasseln Attacken und Kritik auf sie ein. So steht auch der lauwarme Empfang für die CDU-Vorsitzende bei der Jungen Union in einem auffälligen Kontrast zur Begeisterung, die andere auslösten. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn etwa, der sich als Merkel-Nachfolger in Position bringt. Oder Ralph Brinkhaus, der frischgebackene Unionsfraktionschef, der sich in einer Kampfkandidatur gegen Volker Kauder durchsetzte. So muss die Bundeskanzlerin ausgerechnet jetzt auf ihren treuen Steigbügelhalter verzichten, der ihr mehr als zwölf Jahre lang die Fraktion auf Linie brachte, Mehrheiten organisierte und Kritiker einfing.

Eine weitere Personalie könnte bereits in dieser Woche die nächste Schlappe für Merkel bringen. Es geht um die Nachfolge von Brinkhaus, der bislang Fraktionsvize im wichtigen Bereich Haushalt und Finanzen war. Merkels Wunschkandidat ist der baden-württembergische CDU-Landesgruppenchef Andreas Jung. Doch konservative und wirtschaftsnahe Kreise sprechen sich für Olav Gutting aus, der ebenfalls aus Baden-Württemberg kommt.

Die Hessen-Wahl wird für Merkel noch gefährlicher

Gutting hatte sich immer wieder skeptisch über Merkels Flüchtlingspolitik geäußert. Außerdem gilt er als Skeptiker in der Europapolitik. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es zu einer Kampfkandidatur kommt. Sollte sich Gutting durchsetzen, würde dies eine weitere Schwächung Merkels bedeuten. Dass ihre Macht in der eigenen Partei bröckelt, könnte dann niemand mehr leugnen.

In der Schwesterpartei CSU steht Merkel schon viel länger im Kreuzfeuer der Kritik. Der Streit um die Flüchtlingspolitik hätte die Union zwischenzeitlich ja fast zum Platzen gebracht. Wenn die Christsozialen bei der Landtagswahl am Sonntag wirklich so schlecht abschneiden, wie es die Umfragen vorhersehen, dann werden viele mit dem Finger auf die Bundeskanzlerin zeigen. In München wird neben CSU-Chef Horst Seehofer auch Merkel bereits als Sündenbock für eine Wahlniederlage in Stellung gebracht.

Die Hessen-Wahl zwei Wochen später wird für Merkel noch gefährlicher. Auch der hessischen CDU unter Ministerpräsident Volker Bouffier drohen empfindliche Verluste. Eine Niederlage Bouffiers, zuletzt meist voll auf Merkel-Linie, wäre auch für die Kanzlerin direkt ein schwerer Schlag. Sollten sich die Dinge dann in den Wochen nach der Wahl weiter zuspitzen, könnte Merkel endgültig ins Wanken kommen. Denn beim Parteitag Anfang Dezember in Hamburg muss sie sich der Wiederwahl als CDU-Vorsitzende stellen.

Nie hat sie Zweifel daran aufkommen lassen, dass für sie die Ämter Parteichefin und Bundeskanzlerin untrennbar miteinander verbunden sind. Damit macht sie allen in der Partei klar: Eine Abwahl in Hamburg würde das Ende ihrer Kanzlerschaft und damit wohl ein politisches Chaos bedeuten, das auch ihre größten Gegner im Moment nicht riskieren wollen. So muss Merkel nicht allzu nervös sein, dass sie inzwischen einen dritten Gegenkandidaten bekommen hat. Neben einem Jurastudenten aus Berlin und einem hessischen Unternehmer will nun auch der Bonner Völkerrechtsprofessor Matthias Herdegen Merkel an der Parteispitze ablösen. Echte Chancen, die Kanzlerin zu beerben, geben sie in der CDU im Moment aber nur zwei Parteifreunden.

Unterstützung für eine offene Revolution noch zu gering

Merkel selbst wünscht sich Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer als Nachfolgerin, aber eben noch nicht jetzt. Und ob Jens Spahn, die Hoffnung der jungen Konservativen, seine Stunde bereits beim Parteitag in Hamburg gekommen sieht, ist fraglich. Im Moment wäre die Unterstützung für eine offene Revolution wohl noch zu gering.

So laufen die Dinge für Angela Merkel zwar alles andere als gut. Doch sie kämpft wie eine Löwin gegen ein vorzeitiges Ende ihrer Kanzlerschaft. Und sie kann dies im Bewusstsein tun, dass sie in der CDU zwar längst nicht mehr alternativlos ist, die möglichen Alternativen aber derzeit noch zu schwach.

 
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