„Wir schätzen, dass 2017 etwa 30 Milliarden Euro aus kriminellen Aktivitäten in den Immobiliensektor geflossen sind“, sagte die Transparency-Vorsitzende Edda Müller am Freitag in Berlin.
Bei einem Gesamtvolumen des Immobilienmarkts von 238 Milliarden Euro im Jahr 2016 entspricht das einem Anteil von rund 12,6 Prozent. Die Dunkelziffer ist hoch, heißt es in der Studie, der Anteil illegalen Geldes könnte sogar zwischen 15 und 30 Prozent liegen. „Die geltenden Gesetze und die Ausstattung der Ermittlungsbehörden stehen auch angesichts der Grenzenlosigkeit internationaler Finanzströme in keinem Verhältnis dazu“, fasst es Müller zusammen.
Kriminelle Vereinigungen wie die Mafia oder russisch-eurasische Gruppen investieren das Geld aus Drogenhandel und anderen kriminellen Geschäften demnach im großen Stil in Immobilien in Deutschland. Besonders die Großstädte sind betroffen. Vor allem für die italienische Mafia sei Deutschland attraktiv, erklärt Markus Henn, der Autor der Studie: „Ein Grund ist das völlig fehlende Bewusstsein in Deutschland.“
So sei es in Deutschland vergleichsweise einfach, ein Bankkonto zu eröffnen. Ob derjenige eine sogenannte „politisch exponierte Person“ ist, also jemand, der einem Politiker nahesteht und für den strengere Regeln gelten müssten, wird laut Transparency kaum geprüft. Denn es gibt nur wenige professionelle Datenbanken, zudem kostet die Überprüfung Geld. „Das sollte finanziert werden, damit die Verantwortlichen ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen können“, sagt Henn.
Eigentlich sieht das Geldwäschegesetz vor, dass Makler, Notare oder Anwälte es melden, wenn sie den Verdacht haben, dass bei einem Immobiliengeschäft Geld gewaschen werden soll. In der Realität sei das aber nur selten der Fall, berichtet Müller: „Wir stellen fest, dass aus diesem Bereich so gut wie keine Verdachtsmeldungen abgegeben werden.“ Besser läuft das in Italien: Dort meldeten Notare im Jahr 2016 insgesamt 3582 Verdachtsfälle. Bei Anwälten waren es 3812. Dem stehen 35 Meldungen von Maklern, Notaren und Rechtsanwälten im selben Jahr in Deutschland gegenüber.
Eine Ursache für die wenigen Meldungen sieht Müller darin, dass Notare und Anwälte sich eigentlich an die Schweigepflicht halten müssen. Sie können einen Verdacht nur melden, wenn sie über „positives Wissen“ verfügen, also wenn sie sich sicher sind, dass Geld gewaschen werden soll. „Das führt dazu, dass kaum Fälle gemeldet werden“, bestätigt Henn. Lediglich Banken würden verdächtige Zahlungen bisher an die zuständige Financial Intelligence Unit melden, die beim Zoll angesiedelt ist.
Auch eine Obergrenze für das Abheben von Bargeld gibt es in Deutschland nicht. Und wenn Geld von Investoren aus dem Ausland etwa in Bauprojekte fließt, sei oft nicht bekannt, welche Person hinter der Investition steht. Zwar sieht das Geldwäschegesetz ein Transparenzregister vor, in dem der sogenannte wirtschaftlich Berechtigte steht. Wenn dieser nicht zu ermitteln ist, kann jedoch auch ein Vertreter oder Geschäftsführer als fiktiver Berechtigter benannt werden. „Das ist noch nicht ausreichend, um zu überprüfen, woher Geld von ausländischen Investoren kommt“, kritisiert Müller.
In rund 10.000 von rund 136.000 Meldungen steht in dem Transparenzregister nur ein fiktiver Berechtigter. Diese Lücke müsse geschlossen werden, sagt Henn und schlägt deshalb vor, die Möglichkeit zu streichen: „Stattdessen sollte in diesem Fall klar sein, dass kein Berechtigter ermittelbar ist, was automatisch zu einer Verdachtsmeldung und in der Regel auch zu einem Geschäftsabbruch führen sollte.“
Damit die Verdachtsmeldungen zeitnah bearbeitet werden können, fordert Transparency Deutschland mehr Personal und eine bessere Ausstattung von Polizei und Staatsanwaltschaft. Diese sollen etwa von sich aus Ermittlungen aufnehmen können und Zugriff auf Datenbanken erhalten. „Gegen solche professionellen Geldwäscher müsste es in Deutschland eine viel stärkere gemeinsame Anstrengung aller Ermittlungsbehörden geben“, sagt Henn.