Es dauert keine fünf Minuten, bis der Mann in Button-Down-Hemd und Freizeithose den Saal auf seiner Seite hat. „Gestern Abend habe ich zufällig ‚Der Pate II‘ geschaut“, berichtet Tom Steyer. Die 500 Zuhörer ahnen, was kommt. „Die Parallelen sind erschreckend. Er handelt wie Michael Corleone.“ Begeistert stimmt das Auditorium zu.
Hier im unterirdischen Veranstaltungssaal eines Marriott-Hotels in der Washingtoner Innenstadt muss niemand überzeugt werden. „Donald Trump ist ein Krebsgeschwür am Herzen Amerikas“, hat Steyer schon am frühen Morgen getwittert. Seine Anhänger tragen Taschen und Kappen mit dem Aufdruck „Impeach!“ (Amtsenthebung). Aus den ganzen USA sind sie angereist, um den ehemaligen Fondsmanager und Umweltaktivisten zu hören und sich bei einer zweitägigen Konferenz für den Kampf gegen den Präsidenten zu stärken.
Außerparlamentarischer Widerstand
Seit er 2017 seine Kampagne für eine Amtsenthebung startete, ist Steyer zum prominentesten Gesicht des außerparlamentarischen Widerstands gegen Trump geworden. Mehr als 40 Millionen Dollar hat der Milliardär bereits in Werbespots und Veranstaltungen. Die gleiche Summe will er dieses Jahr noch einmal investieren. Bei 45 Auftritten quer durch das Land hat der 61-Jährige für sein Anliegen geworben und mehr als sieben Millionen Unterschriften gesammelt.
„Wir können die Wahlen im Jahr 2020 nicht abwarten“, mahnt er an diesem Abend in Washington: „Der Preis, Trump zwei weitere Jahre im Amt zu haben, ist zu hoch!“ Steyer ist ein erstaunlich trockener Redner. Während seines kurzen Einleitungsvortrages hangelt er sich immer noch an Karteikarten entlang. Seine Antworten auf Fragen sind klar, aber selten sonderlich pointiert. Der Mann wirkt wie ein Gesinnungsethiker, der vor allem durch die Prinzipientreue seiner Argumente überzeugt.
Tabubrüche Trumps
Die täglichen Lügen, die Verquickung von Amt und persönlichem Profit, die Attacken auf Justiz und Presse, die dubiosen Kontakte nach Moskau – Steyer muss die Tabubrüche Trumps nur stichwortartig aufzählen. Sein ehemaliger Anwalt Michael Cohen, den der Präsident angeblich zu Schweigegeldzahlungen an Ex-Geliebte anhielt, und Trumps Vertrauten Roger Stone, der von russischen Hackern gestohlene E-Mails der Demokraten an die Plattform Wikileaks vermittelt haben soll, liefern aktuelles Anschauungsmaterial. „Das sind Verhaltensweisen des organisierten Verbrechens“, empört sich Steyer.
Auch die Spitze der Demokraten würde diese Analyse wohl unterschreiben. Doch führende Oppositionspolitiker bezweifeln, dass ein Impeachment-Verfahren am Ende erfolgreich sein würde. Nicht nur hat die amerikanische Verfassung hohe Hürden errichtet. Auch müssten der Amtsenthebung am Ende 20 Republikaner im Senat zustimmen, was bislang höchst unwahrscheinlich ist. Parlamentschefin Nancy Pelosi fürchtet, dass ein wenig aussichtsreiches Verfahren gleichwohl den Blick der gemäßigten Wähler auf die politischen Inhalte ihrer Partei verstellen könnte. Daher hat sie das Impeachment erst einmal von der Tagesordnung genommen: Zunächst sollen die Untersuchungen von Sonderermittler Robert Mueller abgewartet werden.
Enthüllung der Machenschaften
Das hält Steyer für falsch: „Wir haben kein Erkenntnisproblem: Zigaretten verursachen Krebs. Die Welt erwärmt sich. Und dieser Kerl ist ein Krimineller“, ruft er in den Saal. Mehr als ein Jahr lang habe der Kongress eine parlamentarische Untersuchung verweigert: „Wir müssen das jetzt endlich in die Spur setzen!“ Nicht nur durch die Enthüllung der Machenschaften von Trump-Vertrauten spürt Steyer derzeit Rückenwind. Auch viele junge linke Abgeordneten der Demokraten dringen auf ein Amtsenthebungsverfahren. Angeblich stehen die Russland-Untersuchungen von Sonderermittler Robert Mueller kurz vor dem Abschluss. Wenn sie neue Belege für Korruption oder versuchte Justizbeeinflussung liefern, dürfte der Druck noch größer werden.
Doch ausgerechnet eine Augenzeugin der erfolgreichen Amtsenthebung von Richard Nixon dämpft bei der Washingtoner Tagung die Impeachment-Euphorie: Elizabeth Holtzmann hatte 1974 im Justizausschuss am Impeachmentverfahren mitgewirkt, dessen Vollstreckung Nixon durch Rücktritt zuvorkam. Unverzichtbar für den politischen Erfolg seien das gemeinsame Vorgehen von Demokraten und Republikanern und die breite Empörungswelle in der Bevölkerung gewesen, berichtet die Ex-Abgeordnete. Derzeit aber wollen sich nur wenige Republikaner offen gegen Trump stellen. Und so populär die Amtsenthebung unter Linken ist – in der Gesamtbevölkerung liegt die Unterstützung gerade mal bei 38 Prozent.