Die Ankündigung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, er werde im Rahmen des Wahlkampfes im Ausland „in einer Sporthalle mit einer Kapazität von 10 000 bis 11 000 Menschen“ vor seinen türkischen Landsleuten sprechen, hat in Deutschland eine neue Debatte über Wahlkampfauftritte türkischer Politiker auf deutschem Boden ausgelöst.
Auch wenn Erdogan den Namen des Landes nicht nennen wollte, bekräftigte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Rande des G7-Außenministertreffens in Kanada das Nein der Bundesregierung zu derartigen Auftritten. „Wir haben eine klare Position, dass drei Monate vor Wahlen, die im Ausland durchgeführt werden, im Inland, in Deutschland, kein Wahlkampf stattfindet.“
Unterstützung erhielt Maas für diese klare Absage auch von Vertretern der Opposition im Bundestag. Der frühere Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Georg Link von der FDP, appellierte an die Bundesregierung, Ankara deutlich zu signalisieren, „dass deutsche Auftritte türkischer Regierungsmitglieder im laufenden türkischen Parlamentswahlkampf besser unterbleiben“.
Spruch des Verfassungsgerichts
Das Bundesverfassungsgericht habe im vergangenen Jahr zu Recht deutlich gemacht, dass derartige Auftritte nicht automatisch Anspruch auf grundgesetzlichen Schutz genießen. „Wer Wahlkämpfe missbraucht, um quasi in ein anderes Land hineinzuregieren, der genießt diesen Schutz nicht.“ Leider sei genau dies in der Vergangenheit bereits manche Male durch Vertreter der türkischen Regierungspartei AKP geschehen.
Allerdings gibt es trotz des Neins von Maas bereits eine Ausnahme – der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu wird am 29. Mai in Solingen bei der Gedenkfeier zum 25. Jahrestag des Brandanschlags eine Rede halten – vier Wochen vor der Präsidentenwahl am 24. Juni. Maas sagte in Toronto, dieser Auftritt falle nicht unter das Wahlkampfverbot. „Das ist für uns keine Wahlkampfveranstaltung, denn sie hat einen ganz anderen Hintergrund.“
Der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir kritisierte diese Position. „Während wir noch über den Umgang mit türkischen Wahlkämpfern diskutieren, macht der türkische Außenminister Cavusoglu längst Nägel mit Köpfen und plant seinen Auftritt in Deutschland.“ Dass er sich dafür ausgerechnet die Gedenkfeier in Solingen ausgesucht habe, spreche für sich, so Özdemir. „In der Türkei geht die Erdogan-Partei ein Listenbündnis mit der ultranationalistischen MHP ein, um dieser über die Zehn-Prozent-Hürde zu verhelfen und sich so die Mehrheit zu sichern, trotz aller Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieses Pakts.“ Gleichzeitig würden die führenden Köpfe der Opposition in der Türkei gezwungen, ihren Wahlkampf „aus dem Knast heraus“ zu führen. „So lange nicht die gleichen Rechte für die Opposition gelten, sollten wir uns für dieses Schmierentheater nicht hergeben.“
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, verteidigte dagegen den Auftritt Cavusoglus in Solingen. „Hier steht eindeutig das Gedenken an den feigen Brandanschlag vor 25 Jahren, bei dem der fünf Frauen und Mädchen der Familie Genc gedacht wird, die damals ums Leben kamen.“ Dass dieser Auftritt stattfinden könne, „halte ich für eine Selbstverständlichkeit“.