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Berlin
Streit um Reform der Grundsteuer
Wird Wohnen in Ballungsräumen und Uni-Städten noch teurer? Angeblicher Reformplan dringt an die Öffentlichkeit – Bundesfinanzminister Olaf Scholz dementiert
Die Fassaden von teuren Wohnhäusern in der Kölner Südstadt.
Foto: Oliver Berg, dpa | Die Fassaden von teuren Wohnhäusern in der Kölner Südstadt.
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 07.12.2018 02:41 Uhr

Gerade einmal zwei Wochen ist es her, dass die grünen Finanzministerinnen aus Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Bremen, Edith Sitzmann, Monika Heinold und Karoline Linnert, einen Brief an Finanzminister Olaf Scholz von der SPD schrieben und wissen wollten, ob es in seinem Hause schon Pläne für eine Reform der Grundsteuer gebe. Doch auf eine Antwort aus Berlin warteten die drei Ressortkolleginnen in Stuttgart, Kiel und Bremen nach Informationen dieser Redaktion vergebens. Und auch für ein Gespräch mit den Finanzministern der Länder sah Olaf Scholz offenbar bislang offenbar keinen Bedarf.

Den Abgeordneten des Bundestags erging es nicht viel besser. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts am 10. April, das die Berechnungsgrundlage der Grundsteuer als verfassungswidrig verworfen und vom Gesetzgeber zu umfassenden Änderungen verlangt hatte, hüllte sich der SPD-Finanzminister in Schweigen. Sehr zum Ärger der Fachpolitiker im zuständigen Finanzausschuss. „Das, was bisher von Scholz gekommen ist, ist an Transparenz nicht mehr unterbieten“, höhnt der Grünen-Finanzexperte Stefan Schmidt aus Regensburg, Sprecher für Kommunalfinanzen, gegenüber dieser Redaktion. Nur auf ausdrückliche Nachfrage habe es im Ausschuss Antworten gegeben, doch diese seien stets „sehr oberflächlich“ beantwortet worden.

Erst aus der „Bild“-Zeitung über das Konzept erfahren

Immerhin, seit Montag wissen die Finanzexperten des Bundestags wie die Finanzminister der Länder, in welche Richtung Scholz denkt. Allerdings erfuhren sie es nicht aus erster Hand von ihm, sondern von der „Bild“-Zeitung, die unter Berufung auf das Ministerium sein Konzept veröffentlichte. Zwar ließ Scholz selber dem Bericht unverzüglich ein halbherziges Dementi folgen und kritisierte, da habe wohl jemand etwas „aufgeschnappt“ und daraus „voreilige Schlüsse“ gezogen, da intern noch über das Vorhaben „intensiv diskutiert“ werde. Doch da sich Scholz am Mittwoch mit seinen Ressortkollegen aus den Ländern treffen will, um über die Reform zu sprechen, dürften die Pläne in seinem Hause bereits weit gediehen sein. Scholz selber zeigte sich zuversichtlich: „Das kriegen wir hin.“

Nach dem Bericht soll die Grundsteuer für jede einzelne Wohnung in Deutschland individuell berechnet werden. Entscheidend für die Berechnung sollen die Fläche und das Alter der Immobilie sowie die Höhe der aktuellen Miete sein. Das würde bedeuten: Je höher die Miete, desto höher auch die Grundsteuer, die als umlagefähige Kosten von den Mietern zu bezahlen ist. Bei selbstgenutzten Häusern oder Wohnungen soll die Höhe der Steuer anhand der Wohngeldtabelle ermittelt werden. In der SPD heißt es, dieses Verfahren wäre zwar aufwendig und kompliziert, könne aber für mehr Gerechtigkeit sorgen und zusätzliche Anreize für günstigere Mieten schaffen.

„Ziemlich kompliziertes“ Berechnungsverfahren bemängelt

Die Oppositionsparteien wie der Bund der Steuerzahler übten dagegen massive Kritik. Das Berechnungsverfahren werde „ziemlich kompliziert“, bemängelte der Grünen-Finanzexperte Stefan Schmidt gegenüber dieser Redaktion. Vor allem führe das Konzept dazu, dass in Ballungsräumen, in denen schon jetzt extreme Knappheit an bezahlbarem Wohnraum herrsche und die Mieten explodieren, das Wohnen noch teurer werden wird. Aus Sicht der Grünen sollte daher der Gesetzgeber tätig werden, „dass die Vermieter die Grundsteuer nicht länger auf die Mieterinnen und Mieter abwälzen können“.

Auch der stellvertretende FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte, das Konzept sei ein „staatlicher Mietenturbo“. Scholz schaffe ein „neues Bürokratiemonster“, das Wohnen noch teurer machen könnte, als es ohnehin schon sei. Vor allem die Mieter wären „die Leidtragenden“, die FDP wolle, „dass die Mieten durch die Grundsteuerreform nicht noch weiter steigen“. Die Reform müsse daher Mehrbelastungen möglichst vermeiden. Ins gleiche Horn blies auch Rainer Holznagel, der Präsident des Bundes der Steuerzahler. Die Politik müsse dafür sorgen, dass die Wohnnebenkosten nicht weiter steigen. „Steuern und Abgaben dürfen nicht zur zweiten Miete oder doppelten Belastung werden.“ Bei den Plänen von Scholz würde dagegen vor allem in Metropolen, Ballungsräumen und Uni-Städten der Staat über hohe Grundstückswerte und hohe Mieten „kräftig mitverdienen“. Wohnen würde durch eine hohe Grundsteuer zusätzlich verteuert. „Das ist völlig inakzeptabel.“

 
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