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WIEN/BRAUNAU
Streit um das Geburtshaus Hitlers
-       -  Hitlers Geburtshaus in Braunau
Foto: afp | Hitlers Geburtshaus in Braunau
Mariele Schulze-Berndt
 |  aktualisiert: 03.10.2016 03:43 Uhr

Soll Hitlers Geburtshaus in Braunau am Inn abgerissen werden? In Österreich scheiden sich daran die Geister. Im Juli hat die große Koalition aus SPÖ und ÖVP beschlossen, die in Bayern lebende Erbin der Eigentümer zu enteignen.

Die Eigentümer hatten das Haus 1938 an den NSDAP-Reichsleiter Martin Bormann zu einem weit überhöhten Preis verkauft und es 1954 zu einem Bruchteil der Summe zurückerworben. Es steht leer, blieb aber eine Art Wallfahrtsort rechter Gruppen und Neonazis. Im November entscheidet das Parlament. Der Gesetzentwurf enthält die Formulierung, eine „vollständige Beseitigung“ ist möglich. Also enteignen und dann abreißen?

Bedenken des Denkmalschutzes

Denkmalschützer gehen dagegen auf die Barrikaden. Ein Abriss sei „weder nötig noch richtig“, um ein „würdiges Gedenken an die schreckliche Zeit des Nationalsozialismus“ zu ermöglichen, argumentieren sie. Wolfgang Lipp vom internationalen Denkmalpflegebeirat fordert eine sorgsame Abwägung durch Experten.

Dass das Haus überhaupt unter Denkmalschutz steht, geht auf eine Entscheidung des NS-Ministeriums für Innere und Kulturelle Angelegenheiten aus dem Juli 1938 zurück. Das öffentliche Interesse an dem Gebäude wurde damit begründet, dass es sich um eine „der Gedenkstätten an den Führer und Reichskanzler Adolf Hitler, Braunau am Inn“ handele. Dies sei für „das deutsche Volk von höchster öffentlicher Bedeutung“. 1993 kam es zu einem neuen Bescheid der österreichischen Behörden. Danach ist das Haus als Teil eines architektonisch bemerkenswerten Ensembles im Ortskern von Braunau zu erhalten. Die Bausubstanz gehe auf das 15./16. Jahrhundert zurück. Circa 250 Bauten in Braunau stehen unter Denkmalschutz, 22 davon in der Straße Salzburger Vorstadt, so auch das Geburtshaus Hitlers.

Neutrale Gedenkinstitution

Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) hatte schon im Juli den Abriss gefordert, ebenso der Grünenabgeordnete Harald Walser und schließlich sogar der FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer in einem Interview mit der deutschen Illustrierten „Stern“. Auch Teile der Israelitischen Kultusgemeinde mit 15 000 Angehörigen halten den Abriss für notwendig.

Oberrabbiner Arie Folger kann sich auch ein interaktives Museum vorstellen. Wichtig sei es, eine Gedenkinstitution „neutral und offen zu gestalten“, so dass diese nicht mit einer politischen Bewegung zu verbinden sei und gleichzeitig eine klare Botschaft gegen den Hass und den Antisemitismus vermittle.

Österreichs Bundeskanzler Christian Kern sowie ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner plädieren nicht für den Abriss. Mehrere Initiativen in Oberösterreich werben bereits international für ein „Haus der Verantwortung“. Allerdings sind die ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen und Ebensee in der Nähe, auch Schloss Hartheim, wo Behinderte und Kinder den Euthanasietod erlitten, verfügt über eine Gedenkstätte. An diesen Orten kann der Opfer gedacht werden und nicht der Täter.

 
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