Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat die Reißleine gezogen und versucht so, sich und seine Frau aus der Schusslinie der Kritik zu nehmen: "Ich stelle mit dem heutigen Tag jede politische Aktivität ein und strebe auch kein politisches Amt mehr an. Das ist mein völliger Rückzug aus Politik und Öffentlichkeit." erklärte er am Dienstagmorgen in einer Wiener Vinothek. Er werde sich in Zukunft ganz seiner Familie widmen und stelle "seine Mitgliedschaft in der FPÖ ruhend".
Bis in den Abend tagten die FPÖ-Gremien. Sie analysierten das Wahlergebnis. Aber sie berieten auch über den Ausschluss ihres ehemaligen Idols oder zumindest seine Suspendierung. Die FPÖ-Spitze zeigte sich tagsüber wortkarg. Nur der oberösterreichische FPÖ-Vorsitzende Manfred Hainbuchner ließ schon vor dem Ende der Beratungen Unzufriedenheit mit der Erklärung Straches erkennen.
Mit der Ankündigung seines Rückzugs ins Privaleben war Strache ihnen zuvor gekommen. Seine und die schmutzige Wäsche der FPÖ sollen nicht in der Öffentlichkeit gewaschen werden. Ungeklärt war bis zuletzt, ob Philippa Strache, der vor der Wahl als Tierschutzexpertin der FPÖ ein sicherer Listenplatz der Wiener FPÖ zugesagt worden war, dieses Mandat auch bekommt.
Gerade die Wiener FPÖ hat in ihren Hochburgen zum Teil zweistellig verloren. Simmerings FPÖ-Bezirksvorsteher Paul Stadler nannte das Wahlergebnis "eine Katastrophe" und erklärte: "Als das Ibiza-Video öffentlich wurde, sind die Leute gekommen und haben gesagt: 'Was haben die zwei blöden Buben da aufgeführt?' Die Spesenaffäre hat uns dann endgültig das Genick gebrochen." Stadler bezeichnete Strache als "politisch tot" und "nicht mehr verwendbar". Diese Einschätzung setzte sich zuletzt auch bei den Länderchefs mehr und mehr durch.
Der FPÖ-Vorsitzende Norbert Hofer hatte vor der Wahl bereits die Überprüfung von Straches Umgang mit der Parteikasse eingeleitet. Obwohl Strache ein Gehalt von 15.182 Euro als FPÖ-Fraktionschef und später 19.262 Euro als Vizekanzler bezog, bediente er sich bei der Wiener Partei großzügig. Ein Spesenkonto in Höhe von 10 000 Euro im Monat und ein Mietkostenzuschuss von 2500 Euro gewährte das Präsidium der Wiener Landespartei seit Jahren. Der Mietkostenzuschuss wurde damit begründet, dass Strache privat politische Delegationen zu empfangen hatte.
Strache wird aber auch vorgeworfen,sich durch falsch abgerechnete Belege bereichert zu haben. Die Staatsanwaltschaft verdächtigt Strache der Untreue. Seine Büroleiterin habe seit Jahren "Privatausgaben von Heinz-Christian Strache im Wege von Scheinbelegen der Freiheitlichen Partei verrechnet," so die Erklärung der Wiener Staatsanwaltschaft. Dafür droht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Strache sagte gestern, er werde den Behörden gegenüber umfassend aussagen, um die Aufklärung des Sachverhaltes voranzutreiben. Diese Informationen sollten jedoch nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sein.
Der in Misskredit geratene Freiheitliche hält sich für ein Opfer von "Vorverurteilungen". "Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass ein Gespräch, das ich seit geraumer Zeit mit der FPÖ-Spitze gesucht habe, nicht stattgefunden hat." Der FPÖ-Vorsitzende Norbert Hofer und sein Stellvertreter Herbert Kickl gingen vor der Wahl auf Distanz zu Strache, obwohl Gerüchte im Raum standen, er könne mit einer eigenen Liste zur Landtags- und Bürgermeisterwahl in Wien antreten.
Strache sprach sich gegen eine "Spaltung" der FPÖ aus. Er beteuerte: "Jeden Moment meines Lebens konnte sich meine freiheitliche Familie auf mich verlassen." Mit ihr hat er schon viele Turbulenzen erlebt. Nach Wehrsportübungen als junger Mann in Neonazi-Kreisen wurde Strache mit 21 Jahren Bezirksrat in Wien und zog nach einer Ausbildung zum Zahntechniker in den Wiener Landtag ein. Im Konflikt um die Spaltung der FPÖ auf dem Knittelfelder Parteitag vertrieb der in der Partei beliebte Strache Jörg Haider aus der FPÖ.
Haider gründete daraufhin das BZÖ. Strache war seit 2005 bis zu seinem Sturz FPÖ Vorsitzender. Seit 2017 war er Vizekanzler und Sportminister in einer Koalition mit Sebastian Kurz' ÖVP.