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BRÜSSEL
Stiller Tod der Bienen auf den Feldern
reda
 |  aktualisiert: 29.10.2015 03:46 Uhr

Als der Dichter Hoffmann von Fallersleben Anfang des 19. Jahrhunderts in seinem bekannten Kinderlied den Bienen versprach „Summ, summ, summ, Bienchen flieg herum, ei, wir tun dir nichts zuleide. . .“, hat der Heimatfreund noch nichts von Pestiziden gewusst.

„In den letzten zehn bis 15 Jahren wurde von Imkern ein ungewöhnlicher Rückgang der Bienenzahl beobachtet“, konstatierte dagegen vor drei Jahren bereits höchst offiziell die EU-Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in Parma/Italien. Inzwischen hat das Problem Ausmaße angenommen, die US-Wissenschaftler dazu veranlasst haben, von einem „Völkerkollaps“ zu sprechen.

Pflanzenschutzmittel wie Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam sowie Fipronil wurden als Insektenkiller ausgemacht und von der EU-Kommission verboten. Erst im Mai dieses Jahres kam eine internationale Forschergruppe des EU-Wissenschaftsnetzwerks Easac zu dem Schluss, dass vom Einsatz der Insektizide nicht nur Honigbienen, sondern auch Motten und Schmetterlinge betroffen seien. Alle drei bestäuben Pflanzen. Und sie dienen bestimmten Vogelarten als Nahrung. „In den letzten 20 Jahren hat die Artenvielfalt in einem erschreckenden Ausmaß nachgelassen“, sagte der CDU-Europa-Abgeordnete und Landwirt Karl-Heinz Florenz am Dienstag dieser Redaktion.

„Viele Singvögel sind längst weg, bei Fasanen und Rebhühnern gibt es einen Rückgang um 80 Prozent.“

Das Problem alarmiert die Naturschützer. Inzwischen sammelt die Kampagne „SumOfUs“, hinter der zahlreiche europäische Umweltaktivisten stecken, im Internet Unterschriften. Denn obwohl die Kommission vor zwei Jahren erstmals die vier besonders stark wirkenden Pestizide von den Äckern verbannt hat, wolle sie nach Angaben der Organisatoren nun mit dem Produkt „Sulfoxaflor“ ein neues Präparat zulassen. Dessen Schädlichkeit für die Bienen wurde vor kurzem von einem US-Gericht bestätigt, das den Einsatz des Insektizids untersagte. Mit Stand vom gestrigen Dienstag hatten sich bereits 96 000 Unterzeichner der Online-Initiative angeschlossen.

Das ist zwar noch weit von der Million entfernt, die für ein Europäisches Bürgerbegehren notwendig wäre. Doch das Bewusstsein für die Probleme des Bienensterbens wächst.

Als 2011 das Europäische Parlament erstmals darüber diskutierte, fand das noch nachts um ein Uhr unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Drei Jahre später spendierte die Kommission immerhin schon 3,3 Millionen Euro für wissenschaftliche Gutachten.

Bereits im Juni 2014 ist eine unabhängige Wissenschaftlergruppe nach der Auswertung von 800 Einzelstudien zu dem Ergebnis gekommen: „Es ist höchste Zeit, die Verwendung dieser sogenannten Neo-nicotinoiden zu stoppen.“ Danach sieht es im Moment allerdings nicht aus, obwohl sich längst herumgesprochen haben dürfte, dass der Fortbestand der Bienen für die Agrarwirtschaft überlebenswichtig ist.

 
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