
Im Juni 2009, auf dem Höhepunkt der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise und einer tiefen Rezession in Deutschland, verabschiedete die damals regierende Große Koalition unter Angela Merkel einen Haushaltsentwurf für 2010, der neue Schulden in Höhe von 86,1 Milliarden Euro vorsah. Damit schrieb Finanzminister Peer Steinbrück von der SPD Geschichte.
Die Bilanz
Schon 2014 und damit deutlich früher als erwartet, hatte es Wolfgang Schäuble dennoch geschafft. Als erster Finanzminister seit Franz Josef Strauß (CSU) 1969 brachte er einen Haushalt ohne neue Schulden zustande. Am Jahresende stand die schwarze Null. Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank EZB, die bessere Entwicklung bei den Steuereinnahmen, die boomende Wirtschaft und die sinkende Arbeitslosenquote hatten zu der überraschend schnellen Konsolidierung des Bundeshaushalts geführt. Und auch im weiteren Verlauf der Legislaturperiode kam der mittlerweile 74-jährige Schäuble ohne neue Schulden aus. Im Gegenteil: 2015 gab es gar einen Überschuss von 12,1 Milliarden Euro und 2016 ein Plus von 6,2 Milliarden.
Wie kein anderer profitierte Schäuble von der dauerhaften Niedrigzinspolitik der EZB. Mehr als 100 Milliarden Euro hat er in dieser Legislaturperiode Berechnungen zufolge gespart, weil er sich praktisch umsonst Geld leihen und somit alte Kredite zu extrem günstigen Konditionen ablösen konnte.
Angela Merkels Versprechen im Wahlkampf, mit der Union werde es keine Steuererhöhungen geben, wurde in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Jahr für Jahr erreichten die Steuereinnahmen Rekordstände und kletterten 2016 auf das Allzeit-Hoch von 648,31 Milliarden Euro – 4,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Dennoch wurden die Bürger nur an zwei Stellen entlastet: Der steuerfreie Grundbetrag bei der Einkommensteuer stieg von 8130 Euro (2013) auf derzeit 8820 Euro. Und durch eine Anpassung der Steuertarife an die Inflation kam es zu Änderungen bei der kalten Progression. Nach zähen Verhandlungen einigte sich die Große Koalition zudem auf eine Reform der Erbschaftssteuer.
Kurz vor Ende der Legislaturperiode führten Union und SPD auch noch das schwierigste Reformvorhaben zu einem Erfolg und einigten sich mit den Ländern auf eine Neuordnung der komplizierten Bund-Länder-Finanzen und die Neugestaltung des Länderfinanzausgleichs bis 2030. Da der Bund seine Leistungen an die Länder erhöht, werden die Zahlerländer deutlich entlastet, ohne dass sich die Nehmerländer verschlechtern.
Die Perspektiven
CDU und CSU halten am Ziel fest, dauerhaft ohne neue Schulden auszukommen. Finanzielle Spielräume sollen für die innere und äußere Sicherheit, für Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur, zur Förderung von Familien und Kindern sowie für Steuersenkungen genutzt werden. So sollen die Steuerzahler um etwa 15 Milliarden Euro bei der Einkommensteuer entlastet werden. Zudem will die Union den Mittelstandsbauch bei der kalten Progression weiter reduzieren sowie den Soli ab 2020 schrittweise abbauen. Der Spitzensteuersatz soll künftig erst ab einem steuerpflichtigen Jahreseinkommen von 60 000/120 000 Euro einsetzen, der Kinderfreibetrag wird in zwei Schritten auf das Niveau der Erwachsenen erhöht.
Auch die SPD verspricht Steuerentlastung von 15 Milliarden Euro für die Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen, will aber im Gegenzug die Steuern für Besserverdienende um den gleichen Betrag erhöhen. Der Soli soll für alle, die weniger als 52 000/104 000 Euro verdienen, sofort abgeschafft werden, der Spitzensteuersatz von 42 Prozent erst ab 60 000/120 000 greifen. Wer mehr als 76 200/152 400 Euro pro Jahr verdient, muss allerdings 45 Prozent zahlen, ab 250 000/500 000 Euro sogar 48 Prozent. Durch eine weitere Reform der Erbschaftssteuer sollen Erbschaften höher besteuert werden.
Sehr viel weiter geht die Linke. Um die Kluft zwischen den Reichen und den sozial Schwachen abzubauen, fordert sie die Wiedereinführung der Vermögenssteuer – Vermögen ab einer Million Euro werden mit fünf Prozent besteuert. Dies würde dem Staat nach ihrer Berechnung Mehreinnahmen von 80 Milliarden Euro bringen. Auch die Erbschaftssteuer soll deutlich erhöht werden. Den Spitzensteuersatz will die Linke ab einem steuerpflichtigen Einkommen von 70 000/140 000 Euro auf 53 Prozent erhöhen, ab 260 533 Euro werden gar 60 Prozent und ab einer Million 75 Prozent fällig. Im Gegenzug soll der steuerfreie Grundbetrag auf 12 600 Euro angehoben werden.
Die Grünen Jahr fordern allgemein ein „gerechtes Steuersystem“, in dem die ungleiche Besteuerung von Kapitalerträgen zu allen übrigen Einkünften beseitigt wird. Auch sprechen sie sich für eine „verfassungsfeste, ergiebige und umsetzbare Vermögensteuer für Superreiche“ und ein „einfaches und gerechtes Erbschaftssteuermodell“ aus. Kleine und mittlere Einkommen sollen durch eine Erhöhung des Grundfreibetrags entlastet werden, im Gegenzug wird der Spitzensteuersatz für Bezieher von Einkommen ab 100 000/200 000 erhöht.
Als Steuersenkungspartei plädiert die FDP für „ein grundlegendes Umdenken in der Steuerpolitik“, um die Balance zwischen Staat und Bürgern wiederherzustellen. Konkret sehen die Pläne der Liberalen Steuerentlastungen von 30 Milliarden Euro vor, unter anderem durch eine Verschiebung des gesamten Steuertarifs, eine Absenkung der kalten Progression, die Abschaffung des Soli sowie eine dauerhafte Anpassung des gesamten Steuertarifs, der Freigrenzen und der Pauschbeträge an die Inflation.
Die AfD spricht sich für eine „grundlegende Reform“ des Steuersystems aus, das unter anderem eine Senkung der Mehrwertsteuer um sieben Prozentpunkte, eine Erhöhung des Grundfreibetrags und eine im Grundgesetz verankerte „allgemeine Abgabenbremse“ vorsieht. Der bisherige linear-progressive Steuertarif soll durch Steuerstufen abgelöst und das Ehegattensplitting durch ein „sozial gerechtes Familiensplitting“ ergänzt werden. Die Besteuerung von Erbschaften wird abgelehnt.